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Prof. Dr. med. H. Holzgreve Internist, Kardiologische Praxis, München

_ In die Studie wurden 8.578 Senioren ab dem 65. Lebensjahr (im Mittel 77 Jahre) aufgenommen, die zwei oder mehr chronische Erkrankungen hatten, darunter Vorhofflimmern, koronare Herzkrankheit (KHK), Nierenleiden, Diabetes, Herzinsuffizienz, Hyperlipidämie, Hypertonie und thromboembolische Erkrankungen. Mehr als die Hälfte dieser Patienten erhielt die in den Leitlinien empfohlenen Medikamente wie Beta-, Kalzium- und AT1-Blocker, Clopidogrel, ACE-Hemmer, Metformin, Statine, Thiazide und Antikoagulanzien. Jeder Patient nahm im Mittel zehn verschiedene Medikamente. Im Zeitraum von drei Jahren starben 1.287 (15%) der Patienten.

Die Analyse der Einzelerkrankungen zeigt, das die jeweils leitliniengerecht verordneten Medikamente die Mortalität bei kardiovaskulären Erkrankungen im Vergleich zu Patienten ohne leitliniengerechte Therapie wie erwartet um 20–30% senken. Das trifft z.B. für Betablocker bei KHK und Herzinsuffizienz, Statine bei KHK und Diabetes, ACE-Hemmer bei Herzinsuffizienz und Hypertonie sowie andere indikationsgerechte Verordnungen bei anderen Erkrankungen zu. Wenn man nun solche Patienten betrachtet, die an gleich vier kardiovaskulären Erkrankungen leiden und entsprechend mehr indizierte Medikamente erhalten, so zeigt sich, dass diese die Mortalität trotzdem im gleichen Umfang senken. Bei einigen Medikamenten wie z. B. Diuretika, Clopidogrel und Antikoagulanzien werden die erwarteten Erfolge nicht oder nur teilweise erreicht.

KOMMENTAR

Die höchste Mortalität wird bei Senioren jenseits des 65. Lebensjahres mit multiplen chronischen Erkrankungen erreicht. Deshalb werden bei Betagten immer mehr Medikamente verordnet. Diese allerdings wurden bisher nur bei Einzelerkrankungen, nicht aber bei Kombinationen mehrerer Erkrankungen geprüft. Es ist kaum vorstellbar, dass es jemals solche Therapiestudien geben wird, um Wechselwirkungen und Unverträglichkeiten der Polypharmazie aufzudecken, die die therapeutische Wirkung beeinträchtigen könnten. Es ist deshalb beruhigend, dass die vorliegende, sehr komplexe Studie im Wesentlichen eine gleichbleibende Wirkung wichtiger Arzneimittel auch bei Komorbidität zeigt. Und trotzdem: Jeder Therapeut sollte die Indikation zu jedem weiteren Medikament sorgfältig prüfen.