_ Im ärztlichen Notdienst wurde ich einmal von der Polizei gebeten, eine Gewahrsamsfähigkeitsuntersuchung bei einem stark Betrunkenen durchzuführen. Dieser langjährige Alkoholiker hatte 1,8 Promille in der Atemluft, war aber in klinisch passablem Zustand, hatte nichts angestellt und sollte in Schutzgewahrsam genommen werden.

Schon bei der körperlichen Untersuchung wollte der Mann zeigen, wer hier der King im Ring ist. Ich ging aber nicht weiter darauf ein. Da er vernehmungsfähig war, wurde nun vorschriftsgemäß der Richter angerufen, der die Schutzgewahrsam anordnen sollte. Der Trinker übernahm am Telefon sofort das Wort und teilte dem Richter mit, dass er nichts angestellt und höchstens ein oder zwei Bier getrunken habe und im Übrigen sofort nach Hause wolle. Auch wies er darauf hin, dass er zu Hause zwei Katzen habe. „Die sind wie Frauen, sie wollen und müssen versorgt werden“, philosophierte er.

Der Richter erklärte, dass der Mann zu seinem eigenen Schutz in Gewahrsam bleiben müsse. Nun steigerte sich der Trinker in Rage. „Haben Sie eine Frau?“, schrie er den Richter an, der nicht antwortete. Als der Mann die Frage noch lauter wiederholte, bejahte der Richter sie nach einer kleinen Pause leise. Darauf schrie der Trinker ins Telefon: „Wollen Sie Ihre Frau versorgen oder nicht?!“ Die Umstehenden konnten sich ein heftiges Grinsen nicht verkneifen.

Dem Richter wurde es nun aber auch zu bunt, und er beantwortete diese als Frage formulierte Anklage nicht mehr. Er verlangte nun nach einem Polizisten und teilte diesem mit, dass der Proband zum eigenen Schutz acht Stunden in Gewahrsam genommen werden sollte. Der Betrunkene war mit dem Richter eigentlich noch lange nicht fertig und schimpfte vor sich hin. Erst als er merkte, dass das Objekt seines Zorns schon nicht mehr in der Leitung war, resignierte er und lenkte ein.