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PD Dr. med. C. Lange-Asschenfeld

Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, LVR-Klinikum Düsseldorf

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Zu Beginn einer antidepressiven Therapie kann die Suizidalität ansteigen. Einige Mittel sind in dieser Hinsicht sicherer.

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_ In der Anfangsphase der antidepressiven Pharmakotherapie können im Einzelfall Suizide, Suizidversuche oder sonstiges selbstverletzendes Verhalten auftreten [Gründer G et al. Nervenarzt 2014;85:1108–16]. Für eine britische Kohortenstudie wurden 238.963 Patienten im Alter von 20–64 Jahren zwischen 2 und 12 Jahren nach der Erstdiagnose beobachtet. Die Daten wurden über Allgemeinarztpraxen erhoben.

87,7% der Patienten erhielten Antidepressiva verschrieben, median für 221 Tage. Es traten während der ersten fünf Jahre 198 Suizide und 5.243 Suizidversuche oder Selbstverletzungen auf. Hinsichtlich der Suizidraten ergab sich kein signifikanter Unterschied für trizyklische Antidepressiva (TZA) im Vergleich zu selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI), jedoch eine signifikante Erhöhung unter anderen Antidepressiva (Hazard Ratio 2,64, 95%-Konfidenzintervall 1,74–3,99), speziell unter Mirtazapin, Venlafaxin und Trazodon. Auch hinsichtlich Suizidversuche oder Selbstverletzungen schnitten TZA und SSRI vergleichbar, andere Antidepressiva jedoch signifikant schlechter ab. Die Risikoerhöhung war am stärksten ausgeprägt bis 28 Tage nach Therapiebeginn und hielt bis 28 Tage nach Therapieende an.

KOMMENTAR

Es ist mittlerweile unzweifelhaft, dass Antidepressiva vor suizidalem Verhalten eher schützen [Rihmer Z et al. J Affect Disord. 2006;94:3–13]. Im Einzelfall ist jedoch immer Vorsicht geboten. Die vorliegende Studie ist trotz methodischer Einschränkungen ein wichtiger Beitrag zur differenziellen Risikoevaluation der verschiedenen Antidepressivaklassen. Erstaunlich ist, dass sich die drei Substanzen mit dem höchsten Risiko grundlegend voneinander unterscheiden. Der tradierte Gedanke von „antriebssteigernden“ und „antriebsmindernden“ Antidepressiva scheint demnach zu einfach zu sein. In jedem Fall lautet ein Fazit der Studie: Patienten sollten sorgfältig überwacht werden, besonders in der Anfangsphase der Therapie, aber auch noch mehrere Wochen nach Therapieende!