Die Diskriminierung von HIV-Infizierten ist leider auch im Gesundheitswesen immer noch ein Thema. Dabei sind nicht einmal besondere Schutzmaßnahmen nötig.

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Dr. med. Susanne Usadel

Mitglied im Vorstand der dagnä

_ Seit Bekanntwerden von HIV und AIDS vor über 30 Jahren wurden große Fortschritte in Behandlung und Prävention gemacht. Die Infektion ist heute gut behandelbar. Die Betroffenen haben, sofern sie sich in medizinischer Behandlung befinden, bei guter Lebensqualität eine nahezu gleiche Lebenserwartung wie die Normalbevölkerung.

Allerdings leiden Menschen mit HIV und AIDS in vielen Bereichen nach wie vor unter Ausgrenzung. Heute stellt die soziale Benachteiligung oft ein größeres Problem dar als die gesundheitlichen Einschränkungen durch die HIV-Infektion. Dies ist sehr bedenklich. Leider ist Diskriminierung gerade im Gesundheitswesen besonders häufig – einem Bereich, in dem eigentlich das notwendige Wissen über die Infektion vorhanden sein sollte.

Immer wieder wenden sich Betroffene wegen Stigmatisierung und Diskriminierung in Praxen und Kliniken an die Aidshilfen. Laut dem „People living with HIV Stigma Index“ der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH) wurde 2012 jedem fünften Betroffenen eine medizinische Behandlung aufgrund der HIV-Infektion verweigert. Dies ist skandalös.

Ärzte fühlen sich oft nicht kompetent

Offenbar fehlt es vielen Ärzten an Wissen zum Umgang mit HIV-positiven Patienten. Im Jahr 2014 zeigte eine PKV-Umfrage unter Medizinern zu sexuell übertragbaren Krankheiten, dass sich nur 30% der Befragten kompetent in der Beratung beim Thema HIV/AIDS fühlen. Des Weiteren befürchten 14%, sich im Berufsalltag mit HIV zu infizieren.

Diese Sorgen und Befürchtungen sind unbegründet. Vielmehr gilt: Für die Behandlung von HIV-Patienten müssen – unabhängig von der Viruslast – in der (Zahnarzt-)Praxis keine zusätzlichen Maßnahmen zur Hygiene und zum Arbeitsschutz getroffen werden. Es genügen die Standardmaßnahmen der Patientenbehandlung und Praxisorganisation. Besondere Kennzeichnungen der Patientenakten wie auch besondere Sprechstunden oder Hygienemaßnahmen sind nicht notwendig. Die „normale“ Reinigung und Desinfektion von Medizinprodukten und patientennahen Flächen ist ausreichend – genau wie das Tragen üblicher persönlicher Schutzkleidung, etwa wenn die Gefahr des Verspritzens von Flüssigkeiten besteht. Das Ansteckungsrisiko für den Arzt oder die Medizinischen Fachangestellten ist extrem gering. Es gibt nur sehr wenige Fälle von HIV-Erkrankungen nach beruflicher Exposition gegenüber HI-Viren.

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Mit HIV-Positiven können Sie genau so umgehen wie mit den anderen Patienten.

© Robert Kneschke / Fotolia

Diagnose behutsam vermitteln

Ansonsten gibt es einige Punkte, in denen die Betreuung von HIV-Patienten ein gewisses Fingerspitzengefühl verlangt. Die Erstdiagnose etwa sollte den Betroffenen stets im persönlichen Gespräch mitgeteilt werden. Suizidgedanken sind leider nicht selten. Laut § 7 Abs. 3 Infektionsschutzgesetz muss die HIV-Infektion auch anonymisiert an das Robert-Koch-Institut (RKI) gemeldet werden. Dies macht das diagnostizierende Labor; der einsendende Arzt wird informiert und ergänzt die Angaben zu Epidemiologie und Immunstatus.

Sehr wichtig ist, dass der Patient sich im nächsten Schritt in einer HIV-Schwerpunktpraxis vorstellt. Denn die Infektion ist nach wie vor eine komplexe Erkrankung. Die primärärztliche Versorgung kann dann anschließend in enger Abstimmung mit dem HIV-Spezialisten weiterhin beim Hausarzt liegen – nicht zuletzt, um Wechselwirkungen mit den sonstigen Arzneiverordnungen immer im Blick zu haben.