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Frage von R. U., Allgemeinärztin: In MMW 12/2015 fasst ein Leserbrief die Heart Protection Study (HPS) so zusammen, dass in der Lipidtherapie das kardiovaskuläre Risiko nicht durch das Erreichen eines LDL-Cholesterin-Zielwerts, sondern allein durch Statingabe gesenkt wird. Die Antwort von Dr. C. Holzapfel betont, dass die europäischen und deutschen Leitlinien nach wie vor Zielwerte angeben.
Wie ist denn der Stand der Dinge? War die HPS (Lancet 2002) tatsächlich ein Paradigmenwechsel, den dann allerdings nur die US-Leitlinien nachvollzogen haben? Sollten auch wir uns von den Zielwerten verabschieden und Risikopatienten immer Statine aufschreiben? Welches wäre denn überhaupt der Wirkmechanismus des Statins, wenn es denn nicht die Beeinflussung des Fettstoffwechsels ist?
MMW-Experte Dr. Stiefelhagen: Die Streitfrage seit vielen Jahren ist: Sollte man zielwertorientiert behandeln („treat to target“) oder reicht eine Standarddosis aus („fire and forget“)? Die meisten Fachgesellschaften vertreten die erste Strategie. Die Verfechter der zweiten Strategie behaupten, dass bisher nicht zweifelsfrei bewiesen sei, dass mehr auch mehr bringe. Die neuen Empfehlungen in den USA orientieren sich nur am kardiovaskulären Risiko – also: intensive Therapie bei hohem Risiko –, ohne auf Zielwerte zu schauen.
Dass bei der Wirkung der Statine pleiotrope Effekte eine Rolle spielen könnten, gilt heute als widerlegt, zumindest gibt es dafür keine überzeugenden Daten.
MMW-Experte Prof. Füeßl: Prospektive Studien, die unterschiedliche Zielwerte oder eine Fixdosis („Fire and forget“-Strategie) mit einer zielwertorientierten Therapie vergleichen, gibt es derzeit nicht. Allerdings lassen die vorliegenden Daten den Schluss zu, dass aggressiv mit Statinen behandelte Patienten besser abschneiden. Der Zusammenhang zwischen erreichtem LDL-Cholesterin und kardiovaskulärer Ereignisrate war nahezu linear.
Sehr wohl gibt es allerdings retrospektive Daten, die zeigen, dass zielwertorientiert behandelte Patienten eine bessere Compliance aufweisen. Hier könnten psychologische Faktoren eine Rolle spielen. Diesen Umstand sollte man patientenadaptiert berücksichtigen. Für den einen eignet sich eher die Fixdosis, für den anderen der Zielwert.
Der angestrebte Zielwert hängt im Wesentlichen von den sonstigen Risikofaktoren ab. Nach den europäischen Empfehlungen sollten Patienten mit sehr hohem Risiko (Zustand nach Myokardinfarkt, Raucher, Diabetes, positive KHK-Familienanamnese) einen LDL-Cholesterin-Wert von < 70 mg/dl oder zumindest eine Reduktion des Ausgangswerts um mehr als 50% erreichen. Bei hohem Risiko (z.B. familiäre Hypercholesterinämie) ist ein Wert von < 100 mg/dl anzustreben. Für alle anderen gilt ein Zielwert von < 115 mg/dl, wobei nicht jede Überschreitung automatisch zu einer medikamentösen Therapie führen sollte.
Wenn außer einem mäßig erhöhten LDL-Cholesterin-Wert keine weiteren Risikofaktoren vorliegen, spielt das Verhältnis zum HDL-Cholesterin-Wert eine Rolle. Liegt dieses < 3, und liegt der LDL-Cholesterin-Wert unter 190 mg/dl, kann auf eine medikamentöse Therapie in aller Regel verzichtet werden – besonders dann, wenn auch die Familienanamnese leer ist und beim Patienten keine Anzeichen einer frühen Atherosklerose (Intima-media-Verdickung, Plaques) nachgewiesen werden können.
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Urban & Vogel. Sind Cholesterin-Zielwerte noch zeitgemäß?. MMW - Fortschritte der Medizin 157, 39 (2015). https://doi.org/10.1007/s15006-015-3469-4
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