_ Von der klassischen Form der Zystennieren, der autosomal-dominanten polyzystischen Nierenerkrankung (ADPKD), sind in Deutschland etwa 80.000 Patienten betroffen. Sie leiden an einem Gendefekt, der das Gen PDK-2 oder — seltener — das Gen PDK-1 betrifft. Beide Gene kodieren für Membranproteine, die u. a. in den Epithelien der Nierentubuli lokalisiert sind. Durch die Mutationen kommt es zur Umwandlung von Nierentubuli in Zysten. Das Wachstum dieser Zysten bewirkt eine zunehmende Insuffizienz der Nieren. Etwa 5–10% aller Langzeitdialysen gehen auf das Konto der ADPKD, wie Dr. Angela Kopmann und Dr. Martin Pachmann, Fachärzte für Innere Medizin und Nephrologie in München, berichten.

Renale und extrarenale Symptome

Die renalen Manifestationen der ADPKD beschränken sich nicht auf den Funktionsverlust: Die häufigsten Komplikationen sind Zysteninfektionen und Schmerzen. Bei 35–50% der Patienten tritt eine Mikro- oder Makrohämaturie auf, bis zu 25% entwickeln Nierensteine.

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CT: Zystennieren bei einer 32-jährigen Patientin mit polyzystischer Nierenerkrankung.

© Michel Brauner / ISM / Agentur Focus

In der Leber und seltener im Pankreas können sich ebenfalls Zysten bilden; sie bleiben aber meist asymptomatisch. Als schwerste, wenn auch seltene Komplikation der Zystenniere gilt die Ruptur von intrakraniellen Aneurysmen. Solche Gefäßaussackungen finden sich bei 5–20% der Patienten. Zu den extrarenalen Manifestationen der ADPKD gehören außerdem milde Formen von Mitralklappenprolaps und Aortenklappeninsuffizienz bei 20–35% der Patienten.

Jede vierte ADPKD wird zufällig entdeckt

Der Verdacht auf eine ADPKD ergibt sich bei den meisten Patienten bereits aus der Familienanamnese. Das Risiko für die Weitergabe liegt bei 50%. Bei unbekanntem Genotyp ist die Ultraschall-Untersuchung Mittel der ersten Wahl. Ein sicherer Ausschluss ist aber erst ab einem Alter von 40 Jahren möglich, und zwar dann, wenn sonografisch maximal eine Nierenzyste entdeckt wird. Bei bekanntem Genotyp gibt die genetische Analyse größere diagnostische Sicherheit. In etwa einem Viertel der Fälle ist ein auffälliger Ultraschallbefund der erste Hinweis auf eine ADPKD. Allerdings werden simple Nierenzysten ab dem 30. Lebensjahr auch in der Allgemeinbevölkerung beobachtet. Bei mehr als zehn Zysten pro Niere ist eine ADPKD zwar wahrscheinlich, eine zweifelsfreie Diagnose ist aber nur bei positiver Familienanamnese möglich.

Vor allem den Blutdruck senken

Bis vor Kurzem gab es keine spezifische Therapie der ADPKD. Die Standardbehandlung besteht daher in allgemeinen Maßnahmen zur Hemmung der Niereninsuffizienzprogression. Die wichtigste ist die konsequente Behandlung eines Bluthochdrucks. „Sie kann das Fortschreiten der Niereninsuffizienz deutlich verlangsamen“, so Kopmann und Pachmann. Mittel der Wahl seien ACE-Hemmer und Angiotensinrezeptor-Antagonisten, anzustreben sind Werte unter 130/80 mmHg. Eine Hyperlipidämie sollte in jedem Fall mit Statinen behandelt werden. Geboten ist die strikte Vermeidung nephrotoxischer Substanzen wie nicht-steroidalen Antirheumatika. Aminoglykoside, Virustatika und Röntgenkontrastmittel sollen nur nach strenger Indikationsstellung eingesetzt werden.

Tolvaptan verlangsamt Zystenbildung

Im Mai hat die europäische Arzneimittelbehörde EMA das erste Medikament speziell zur Therapie der ADPKD zugelassen. Der Vasopressin-2-Rezeptor-Antagonist Tolvaptan reduziert die Konzentration an cAMP in renalen Epithelzellen; dem Signalmolekül wird eine wichtige Rolle bei der Zystenbildung zugeschrieben. In einer randomisierten placebokontrollierten Doppelblindstudie über drei Jahre bewirkte Tolvaptan an der Niere eine Verlangsamung der Volumenzunahme — um 2,8% statt um 5,5% pro Jahr — und des Funktionsverlusts (Torres VE et al. N Engl J Med 2012). Die Verumtherapie wurde allerdings häufiger als die Placebobehandlung wegen Problemen durch erhöhte Wasserausscheidung und wegen des Anstiegs von Leberenzymen vorzeitig beendet. Nach Einschätzung der EMA werden die Risiken aber vom Nutzen der Therapie überwogen. Voraussetzung ist, dass die Patienten unter der Behandlung viel Wasser trinken und regelmäßige Leberkontrollen erhalten.