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Folge 146

Ärztliche Erfahrung beschränkt sich nicht auf medizinisches Fachwissen. Sie entsteht auch aus den mehr oder minder alltäglichen, heiter, ärgerlich oder nachdenklich stimmenden Erlebnissen mit Patienten, Kollegen und Mitarbeitern.Senden Sie uns Ihre Geschichte an: cornelius.heyer@springer.com. Für jeden veröffentlichten Text erhalten Sie bis zu 100 Euro.

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Schmerzt dieser Bauch also weniger?

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_ Ein 37-jähriger Patient litt extrem unter unerklärlichen Unterbauchschmerzen. Mehrfache Abklärungen sowohl ambulant wie auch stationär hatten uns nicht weitergebracht, doch nun stand eine chirurgische Vorstellung an, bei der wir Hoffnung hatten, endlich Klarheit zu bekommen. Ich rechnete damit, dass der Patient sehr gründlich untersucht werden würde, und war gespannt auf das Ergebnis der Konsultation. Ich war sogar so neugierig, dass ich nicht erst den Erhalt des Arztbriefes abwarten wollte.

Nachdem ich den Patienten telefonisch nicht erreichen konnte, schickte ich ihm eine E-Mail. Schnell hatte ich eine Antwort der Ehefrau, bei deren Lektüre ich aber über folgenden Satz stolperte: „Das Ergebnis von heute lautet: Martin sein Edgar ist zu lange, er [der Chirurg] hat uns das bildlich gezeigt. Könnte ein Hinweis sein, daß es das ist, meinte er.“

Da war ich erst mal sprachlos. Nicht nur, weil ich die Bezeichnung „Edgar“ so putzig fand, sondern auch, weil ich von einem langen Genital als Ursache für Unterbauchschmerzen noch nie gehört hatte; manche Leute wünschen sich ja sogar eins.

Wenige Tage später sah ich den Patienten und seine Ehefrau wieder. Wir sprachen über das Ergebnis, und ich meinte, dass ich mir schwer vorstellen könnte, dass die Ursache der Beschwerden ein zu langes Genital sein sollte. Darauf erntete ich verwunderte Blicke — verständlicherweise! Denn es stellte sich heraus, dass die Autokorrektur des Tablets, auf dem die Ehefrau die E-Mail geschrieben hatte, kurzerhand das Wort „Enddarm“ in „Edgar“ verwandelt hatte.

So entstehen Missverständnisse. Die Moral: Lies immer deine E-Mails noch mal durch, bevor du sie wegschickst. Der Chirurg stellte übrigens die Diagnose eines sogenannten Intussuszeptionsventils. Was das Tablet daraus wohl gemacht hätte?