_ Die ungewöhnliche Auffindesituation veranlasste den Autor, die Todesart „unbekannt“ auf dem amtlichen Todesschein anzukreuzen. Dies hatte zur Folge, dass umfangreiche kriminalpolizeiliche Ermittlungen erfolgten. Darüber hinaus wurde eine sogenannte „Legalinspektion“ durch den zuständigen Kreisarzt des Schweizer Kantons Bern durchgeführt. Hierbei handelt es sich um eine eidgenössische Besonderheit: Der Kreisarzt ist ein in der Rechtsmedizin besonders weitergebildeter Nicht-Rechtsmediziner, der dann zum Einsatz kommt, wenn im Todesschein „unbekannt“ oder „nicht natürlich“ vom zuerst leichenschauenden Arzt angekreuzt wird. Der Kreisarzt entscheidet nach seiner Inspektion, ob eine rechtsmedizinische Obduktion bei verbliebenen Zweifeln an der Todesart durchgeführt werden muss.

Im vorliegenden Fall war die Leichenstellung wie folgt zu erklären: plötzlicher Herztod mit Rechtsherzversagen (zu erkennen an dem ausgeprägten Totenfleck am Kopf) in Rechtsseitenlage, mit dem linken Arm über dem Brustkorb nach ventral liegend. In dieser Position trat zum einen die Totenstarre ein, und weiterhin bildeten sich die Totenflecke aus. Diese sind im vorliegenden Fall der Schlüssel zur Klärung. Der Schwerkraft folgend bilden sich diese Flecke an den tief gelegenen Körperpartien aus. Die Fotos zeigen, dass die jeweils rechtsseitigen Anteile von Stamm, Beinen und Armen livide verfärbt sind, im Gegensatz zu den hellen linksseitigen.

Mit fortschreitender Fäulnis und Einsetzen des Aufblähens des Leichnams durch Fäulnisgase kam es dann zur Rotation der Leiche von der Rechtsseiten- in die Rückenlage.

In Zusammenschau mit der unauffälligen äußeren Leichenschau, der kriminaltechnischen Untersuchungen und der Tatsache, dass das Haus der alten Dame verschlossen war, wurde schlussendlich ein natürlicher Tod attestiert.

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Fortgeschrittene Leichenveränderungen mit Blasenbildung und Aufblähung infolge von Gasbildung. Beachtenswert: Die Leichenflecke sind jeweils auf den rechtsseitigen Anteilen von Stamm, Beinen und Arme; der Kopf ist dunkellivide verfärbt.

© C. Schenk