Künstliche Fingernägel werden immer beliebter. Was dabei häufig nicht bedacht wird: Kunstnägel sind zwar dekorativ, sie stellen aber auch eine gewisse Gefahr für die Gesundheit dar. Wir sprachen mit Prof. Christiane Bayerl von den HSK Wiesbaden über die Risiken.

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Nachgefragt

bei Prof. Dr. med. Christiane Bayerl Der natürliche Nagel wird anfälliger für Infektionen.“

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Wie sieht es unter diesen Nägeln aus?

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Kontaktekzem in der Nagelumgebung bei epidermaler Sensibilisierung auf Acrylatkleber bei einer Kundin eines Nagelstudios.

© Prof. Christiane Bayerl

MMW: Welche Gefahren bringt die Nagelmodellage für Trägerinnen künstlicher Nägel mit sich?

Bayerl: Zu den Risiken gehören Unverträglichkeiten gegenüber dem Material der künstlichen Nägel, den Klebstoffen und Kunststoffen sowie Infektionen, die sich unter den Nägeln entwickeln können.

MMW: Wie kommt es zu dem erhöhten Infektionsrisiko?

Bayerl: Am künstlichen Nagel sowie zwischen dem künstlichen und dem natürlichen Nagel können kleine Spalten und Hohlräume entstehen, in denen sich bakterielle oder mykotische Erreger vermehren können. Wasch- und Desinfektionsmittel können nicht alle Bereiche des Nagels erreichen. Es ist daher schlüssig, dass beispielsweise in medizinischen Berufen keine Kunstnägel getragen werden dürfen.

MMW: Welche Erreger finden sich am häufigsten?

Bayerl: Aufgrund des feuchten Milieus überwiegen Candida-Spezies vor den Schimmelpilzen. Erst an dritter Stelle der mykotischen Infektionsursachen stehen die Dermatophyten. Daneben treten auch bakterielle Infektionen auf, zum Beispiel mit Pseudomonas. Das klinische Bild erinnert oft an einen Unguis incarnatus. Auf Druck lässt sich eine trübe Flüssigkeit unter dem Nagel exprimieren. Eine mikrobiologische Untersuchung zur Erregerklassifizierung ist dann sinnvoll.

MMW: Leidet der natürliche Nagel unter dem künstlichen?

Bayerl: Der natürliche Nagel wird unter dem künstlichen weicher und damit anfälliger für Infektionen. Vorübergehend kann die Nagelplatte auch ohne Infektion optisch gelb verfärbt sein. Bei ausgeprägten Infektionen oder Kontaktallergien kann der Nagel vollkommen abgestoßen werden, analog dem Bild nach einem ausgeprägten Hämatom unter dem Nagel. Auch Kontaktallergien auf Bestandteile der künstlichen Nägel schädigen das Nagelorgan, und es dauert Monate, bis ein gesunder Nagel nachgewachsen ist.

MMW: Mit welchen Symptomen gehen allergische Reaktionen auf die Inhaltsstoffe künstlicher Nägel einher?

Bayerl: Die Allergie zeigt sich als typische Kontaktallergie, die in der Nagelumgebung beginnt und sich dann ausbreitet. Sie kann letztlich beispielsweise auch zu einem Lidekzem führen, da die Hände ja mehrfach täglich Kontakt mit der Gesichtshaut haben. Das zweite Problem ist eine Atemwegssymptomatik, die aber eher beim Härten der Nägel oder beim Schleifen auftritt.

MMW: Wie häufig sind allergische Reaktionen auf Nagellack, Nagelkleber oder künstliche Nägel?

Bayerl: Hierzu gibt es keine verlässlichen Zahlen aus der Gesamtbevölkerung. Man kann aber sagen, dass Acrylate zu den potentesten Allergenen zählen, sodass es sehr schnell zu einer Sensibilisierung kommt.

MMW: Sollte Allergikerinnen und Frauen mit Nagelerkrankungen ganz von künstlichen Nägeln abgeraten werden?

Bayerl: Bitte nicht verteufeln! Kunstnägel sind eine segensreiche Einrichtung bei genetischen Nagelerkrankungen oder bei dem Verlust des Nagels aufgrund von Tumoroperationen. Auch wenn Patienten nach schweren Infektionen oder Chemotherapien die Nägel verlieren, kann die Lebensqualität enorm erhöht werden, wenn temporär ein Kunstnagel gesetzt wird. Selbst bei gesundem Nagelorgan würde ich Kunstnägel dennoch nicht als Dauerlösung empfehlen, sondern als gelegentlichen Luxus, den sich die Trägerin oder der Träger zu bestimmten Anlässen leisten möchte.

Interview: Dr. Christine Starostzik