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Prof. Dr. med. M. Gross Internistische Klinik Dr. Müller, München

_ Mehrere Studien und Fallserien sprechen für eine erhöhte postoperative Komplikationsrate bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, wenn sie unter einer Anti-TNFalpha-Therapie stehen. In einer umfassenden Metaanalyse wurden jetzt 18 Studien mit 4659 Patienten ausgewertet. Primärer Endpunkt waren infektiöse Komplikationen innerhalb von 30 Tagen nach der Operation. Sekundäre Endpunkte waren nicht-infektiöse Komplikationen sowie die Gesamtkomplikationsrate.

In den meisten Studien waren die Patienten mit Infliximab behandelt worden, vier Studien untersuchten den Einfluss von Adalimumab, nur zwei Studien den von Certolizumab.

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Befall der Bauhin’schen Klappe bei Morbus Crohn.

© Albertinen-Krankenhaus Hamburg www.endoskopiebilder.de

15 Studien berichteten die Infektionskomplikationen (987 Patienten unter Anti-TNFalpha, 2257 Kontrollpatienten). Die gepoolte OR für Infektionskomplikationen betrug 1,56 (95%-KI 1,09-2,24) unter Anti-TNFalpha-Therapie. Die Komplikationen traten bei 21,7% vs. 14,5% der Patienten ein, der absolute Risikoanstieg betrug 7,2%, die „number needed to harm“ (NNH) 15.

11 Studien berichteten die nicht infektiösen Komplikationen (813 Patienten unter Anti-TNFalpha, 1683 Kontrollpatienten). Die gepoolte OR lag bei 1,57 (1,14–2,17), die absoluten Raten bei 27,9% vs. 18.8%, die NNH betrug 11. Die Gesamtkomplikationsrate lag bei 43,8% vs. 28.8%, NNH 7, OR 1,73 (1,23–2,43). Die für Crohn- und Colitis-ulcerosa-Patienten getrennte Analyse zeigte, dass nur bei Crohn-Patienten das Risiko erhöht ist.

Die Autoren führten eine ganze Reihe von Einschränkungen ihrer Studie auf: Es handelte sich um retrospektive Daten, bei denen entscheidende Variablen nicht berücksichtigt worden waren. Das Zeitintervall zwischen letzter Gabe des TNFalpha-Antikörpers und der Operation war sehr unterschiedlich, und nur wenige Studien erfassten so wichtige Variablen wie Alter oder Begleitmedikation (Immunmodulatoren oder Steroide).

Immerhin berichteten sieben Studien über erhöhte infektiöse Komplikationen bei den Anti-TNFalpha-behandelten Patienten, die gleichzeitig unter Immunmodulatoren oder Steroiden standen, was die Bedeutung der Komedikation zeigt. Die Indikation zur OP und die durchgeführte OP wurden ebenfalls nicht ausgewertet.

Es muss davon ausgegangen werden, dass Patienten, die unter einer Anti-TNFalpha-Therapie stehen, schwerer erkrankt sind oder komplikationsreichere Verläufe aufweisen als die Kontrollgruppe. Die Rate der postoperativen Komplikationen kann schon alleine aus diesem Grunde in der Gruppe unter Anti-TNFalpha erhöht sein.

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Daten nicht ausreichen, um eine präoperative Unterbrechung einer indizierten Anti-TNFalpha-Therapie zu rechtfertigen.

Kommentar

Diese Metaanalyse ist die derzeit beste Datenbasis zur Beantwortung der Frage, ob eine Anti-TNFalpha-Therapie zu erhöhten postoperativen Infektionen oder sonstigen Komplikationen führt. Dennoch gibt sie keine klare Antwort: Crohn-Patienten unter Anti-TNFalpha-Therapie weisen zwar signifikant erhöhte Komplikationsraten auf, aber dieser Unterschied könnte statt des Effektes der Anti-TNFalpha-Therapie auch die Unterschiede in der Morbidität der Patienten mit oder ohne Anti-TNFalpha-Therapie widerspiegeln. Für Patienten mit Colitis ulcerosa scheint die Risikoerhöhung, falls sie überhaupt auf die TNFalpha-Blockade zurückzuführen ist, niedriger auszufallen.

Aufgrund dieser Daten sollte eine indizierte Therapie mit TNFalpha-Antikörpern präoperativ nicht unterbrochen werden — zumal viele der Operationen Notfallindikationen sind und eine Planung in diesen Fällen nicht möglich ist. Dennoch erscheint es ratsam, eine elektive Operation nicht unmittelbar vor oder nach der Gabe eines TNFalpha-Antikörpers durchzuführen, sondern im Falle von Infliximab die Operation in der zeitlichen Mitte zwischen zwei Gaben zu planen.