_ Viele Ärzte vermeiden es, Anticholinergika bei älteren Menschen mit überaktiver Blase (overactive bladder, OAB) einzusetzen. Größter Vorbehalt: Die Wirkstoffe könnten die Kognition beeinträchtigen. Eine aktuelle Studie von Adrian Wagg, Geriater der University of Alberta in Edmonton, Canada, widerlegt diese Vorurteile: Wagg und seine Kollegen konnten in der SENIOR-Studie bei 26 Patienten (medianes Alter: 76 Jahre) mit milder eingeschränkter Kognition zeigen, dass keine statistisch signifikanten Unterschiede bei den fünf getesteten Kognitionsparametern zwischen Solifenacin (Vesikur®) und Placebo auftraten, berichtete Prof. Ruth Kirschner-Hermanns, Bonn, im Gespräch mit der Ärzte Zeitung.

figure 1

Die geistige Leistungsfähigkeit erhalten — das geht auch unter anticholinergischer Therapie.

© ktsdesign / fotolia.com

Spätestens seit der EPIC-Studie aus dem Jahre 2005 weiß man, dass die OAB eine der häufigsten Blasenfunktionsstörungen ist, die mit dem Alter deutlich zunimmt. Typische Symptome gemäß International Continence Society (ICS) sind überfallartiger Harndrang, Pollakisurie und Nykturie. Gerade der nächtliche Harndrang kann bei Älteren zur erhöhten Komorbidität führen, indem er beispielsweise Stürze begünstigt.

Neben nicht medikamentösen Therapiemöglichkeiten wie Blasen- und Toilettentraining gelten Anticholinergika nach den Leitlinien nationaler und internationaler Fachgesellschaften als Therapeutika der Wahl mit hohem Evidenzlevel bei der OAB. „Mit dem richtigen Augenmaß auf die besondere Situation des Älterer muss der mögliche Nutzen einer anticholinergen Therapie abgeschätzt werden“, so Kirschner-Hermanns.

„Anticholinergika stellen eine hoch wirksame Therapie dar“, so die Expertin. Sie reduzieren die Detrusorkontraktilität, verringern den Detrusordruck und führen zu einer gesteigerten Blasenkapazität. Dadurch bessert sich die Drangsymptomatik, sodass Inkontinenzepisoden und die damit verbundenen Folgeereignisse seltener auftreten.