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Prof. Dr. med. H. Holzgreve Internist, Kardiologische Praxis, München

_ Nach Zufallskriterien wurde 570 Angehörigen ausdrücklich angeboten, entweder bei Reanimationen in der Wohnung anwesend zu sein (Interventionsgruppe) oder es wurde wie üblich verfahren (Standardgruppe). In der Interventionsgruppe nahmen 211 von 266 (79%) Familienmitglieder dieses Angebot an. Andererseits wurde der eigenständig vorgetragene Wunsch von 131 der 304 (43%) Angehörigen der Standardgruppe auf Beobachtung respektiert. Nur 4% der Patienten überlebten die ersten 28 Tage.

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Sollen Angehörige so etwas sehen?

© Rüdiger Wölk / imago

Nach 90 Tagen waren posttraumatische Störungen in der Standardgruppe um das 1,7-fache signifikant (p = 0,004) häufiger als in der gesamten Interventionsgruppe. Auch die Auswertung aller Personen, die — unabhängig von der ursprünglichen Gruppenzuteilung — letztendlich den Wiederbelebungsmaßnahmen entweder beiwohnten oder nicht, kam zu dem gleichen Ergebnis: Diejenigen, die nicht anwesend waren, litten 1,6-fach häufiger (p = 0,02) an posttraumatischen Störungen.

Die Anwesenheit der Angehörigen beeinflusste die Reanimationsmaßnahmen hinsichtlich Dauer und medikamentöser Therapie nicht, war auch ohne emotionalen Einfluss auf die Mitglieder des Notfallteams, beeinflusste nicht Erfolg oder Misserfolg der Reanimation und führte auch nicht zu juristischen Klagen. Nur weniger als 1% der Beobachter reagierte aggressiv oder haderte mit dem Notfallteam.

Kommentar

Die bloße Vorstellung, dass ein geliebter Mensch reanimiert werden muss, ist ein Alptraum. Die Ansichten darüber, ob im Notfall Angehörige dann auch noch bei diesen Maßnahmen anwesend sein sollen, sind kontrovers. Über mögliche Vorteile und Nachteile wird seit Jahrzehnten gestritten. Im Vordergrund stehen Befürchtungen, dass die psychologischen Belastungen bei den Angehörigen verstärkt werden, und die Arbeit der Helfer erschwert oder beeinträchtigt wird. Zuverlässige wissenschaftliche Daten sind spärlich und schwer zu erarbeiten. Trotzdem befürworten amerikanische und europäische Fachgesellschaften schon heute die Anwesenheit von Angehörigen bei Wiederbelebungsmaßnahmen. Die vorliegende Studie stützt diese Einstellung. Wer persönlich beobachten konnte, dass alles ärztlich Machbare für seine Lieben getan wurde, verkraftet und überwindet das schwere traumatische Erlebnis offenbar besser.