_ Freitag, zeitiger Nachmittag. Ich hatte Bereitschaftsdienst. Da rief mich der Leiter des Stadtcafé am Markt einer kleinen Oberlausitzer Kreisstadt an und teilte mir mit, dass in seiner Gaststube ein Mann aufgetreten sei, der dort einen Kasten echtes Radeberger Export-Pilsner kaufen wollte. Dieses besonders gute Bier gab es nur in besonderen Läden, Gaststätten und für besondere Personen.

Er sei Arzt, habe einen Patienten, einen hochrangigen Genossen und VdN (Verfolgten des Naziregimes), mit Harnverhaltung in Behandlung, der nur nach Genuss dieser speziellen Biersorte urinieren könne.Als ihm das Bier verweigert wurde, sei der Arzt laut geworden und habe drastisch die Symptome und möglichen Folgen der Harnverhaltung und der Überlaufinkontinenz geschildert, und das coram publico und mit ordinären Worten, was bei den Gästen zunächst Heiterkeit, bald aber Empörung auslöste.

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Zur Vermeidung größeren Aufsehens habe der Leiter des Stadtcafés dann einen Kasten „Radeberger Export“ herausgerückt. Nun wollte er von mir wissen, ob das tatsächlich ein Arzt gewesen sei.

Ich konnte ihn beruhigen. Der Kollege litt an einer manisch-depressiven Krankheit und war unter Lithiumbehandlung weitgehend unauffällig. Manchmal kam er aber auf die Idee, dieses Medikament nicht mehr zu benötigen. Und dann kam es immer wieder sehr bald zu den sonderbarsten Vorkommnissen.