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Wenn Arzt und Patient einander „nicht verstehen“, gefährdet das den Erfolg der diagnostischen und therapeutischen Anstrengungen. Priv.-Doz. Dr. Jana Jünger, Leiterin des Kompetenzzentrums für Prüfungen in der Medizin, Universität Heidelberg, erklärt, warum viele Arzt-Patienten-Gespräche scheitern und wie der Dialog besser gelingt.
MMW: Sie entwickeln derzeit ein Muster-Curriculum „Kommunikation“ für das Medizinstudium. Die bisherigen Lehrpläne sind also nicht mustergültig?
Jünger: Das stimmt. Das Gespräch mit dem Patienten wird im Studium derzeit zu spät, zu selten und oft nur theoretisch vermittelt. Viele Ärzte haben nicht gut gelernt, wie sie Informationen von ihren Patienten sammeln. Oft wird zu katalogartig gefragt. Dadurch gehen wertvolle Informationen verloren. Ein weiteres großes Problem ist, dass viele Patienten sich nicht ausreichend informiert fühlen — obwohl ihre Ärzte glauben, dass sie ihnen alle Informationen gegeben haben. Wenn ein Patient unter starkem emotionalen Stress steht, ist seine Aufnahmefähigkeit ungefähr auf ein Zehntel reduziert. Das Wahrnehmen von Emotionen und der adäquate Umgang damit kommen im Patientengespräch oft zu kurz. Deshalb werden häufig auch depressive Stimmungslagen übersehen, die sich nachteilig auf die Therapietreue auswirken können.
MMW: Was macht ein gutes Anamnesegespräch aus?
Jünger: Nach der Eröffnungsfrage sollte der Arzt den Patienten erst einmal reden lassen und ihm zuhören. Beim Nachfragen ist es wichtig, dem Patienten Zeit für seine Antwort zu lassen und nicht zu schnell mit einschränkenden Fragen nachzusteuern — sonst gehen u. U. relevante Informationen verloren. Wenn man sich z. B. nach der Belastbarkeit erkundigt hat und gleich die Frage nach dem Treppensteigen nachschiebt, erzählt der Patient vielleicht nicht mehr, wie sich seine Belastbarkeit verändert hat und welche Beobachtungen er selbst gemacht hat.
MMW: Und wie schafft man es, Informationen so zu vermitteln, dass sie beim Patienten ankommen?
Jünger: Dazu ist eine gute Strukturierung des Gesprächs notwendig, damit der Patient sich orientieren kann. Zum Beispiel: „Ich will heute die morgige Darmspiegelung mit Ihnen besprechen. Ich werde Ihnen erstens erklären, warum wir das machen, zweitens, wie der Ablauf der Untersuchung ist und drittens, worauf Sie danach achten müssen.“ Dabei ist wichtig, immer wieder Pausen zu machen und sich zu versichern, dass die Information angekommen ist. Evtl. ist ein Patient wegen eines Befundes zu aufgeregt, um zuzuhören. Es kann aber auch sein, dass er einfach etwas anderes besprechen will — so wie die Frau eines Krebspatienten, die sich regungslos die lange Erklärung der Ärzte über ein Rezidiv anhörte und dann fragte, was sie ihrem Mann denn nun kochen kann. Auch wenn Ärzte das erstaunt, kann das für einen Patienten oder Angehörigen so ein zentrales Thema sein, dass sie vor Klärung dieser Frage nicht aufnahmebereit sind.
MMW: In der Regel haben Ärzte aber nur wenig Zeit für das Patientengespräch. Wie lässt sich das vereinbaren?
Jünger: Gerade deswegen ist eine gute Planung notwendig. Ein Arzt, der einem Patienten direkt nach der Implantation eines Defis ausführlich erklärt, was nun an Nachkontrollen bis zum Batteriewechsel alles auf ihn zukommt, investiert seine Zeit evtl. ganz umsonst, wenn sich der Patient wegen des „blauen Flecks“ ängstigt und wissen will, wie und ob er sich bewegen kann. Deswegen trainieren wir mit Studenten, in der knappen Zeit zuerst das mitzuteilen, was aus ärztlicher Sicht unbedingt notwendig ist und was der Patient wissen muss, um keinen Schaden zu erleiden, und was der Patient wissen will. Alle weiteren Informationen können dann bei den nächsten Terminen vermittelt werden.
MMW: Einem Patienten eine schlechte Nachricht zu überbringen, gehört sicher zu den schwierigsten Aufgaben eines Arztes. Was sollte er dabei beachten?
Jünger: Besonders hier hat sich gezeigt, dass eine empathische Haltung Stress bei Patienten und Ärzten reduziert und dem Patienten vermittelt, dass er mit seiner Erkrankung auch emotional nicht allein gelassen ist. Dazu ist es nötig, das Gespräch gut vorzubereiten. Man sollte wissen, welche Informationen der Patient bereits von anderen Behandlern erhalten hat, einen ruhigen Raum auswählen, sich so setzen, dass evtl. eine leichte Berührung des Patienten möglich ist. Die schlechte Nachricht sollte vorsichtig und schrittweise angekündigt werden. Man sollte auch auf nonverbale Zeichen achten, um zu spüren, wie viel der Patient in diesem Moment verträgt, und sich langsam herantasten. Aber die Diagnose muss dann auch klar ausgesprochen werden. Danach ist es wichtig, dem Patienten erst einmal Zeit zu geben und seine Emotionen aufzunehmen und auszuhalten. Erst dann sollte man erklären, was man therapeutisch machen kann. Auf jeden Fall sollte man einen festen Folgetermin vereinbaren.
Interview: Dr. Beate Schumacher
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Kommunizieren Sie richtig?. MMW - Fortschritte der Medizin 155, 24 (2013). https://doi.org/10.1007/s15006-013-0687-5
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