Die Zahl der Patienten, die eine antithrombotische Therapie erhalten, wird immer größer. Dazu gehören u. a. Patienten mit kardio- bzw. zerebrovaskulären Erkrankungen, tiefer Beinvenenthrombose, Herzklappenersatz und Vorhofflimmern. Bereichert, aber auch komplexer wurde die Therapie durch die Einführung innovativer Thrombozytenaggregationshemmer und oraler Antikoagulanzien. In dieser „Gerinnungssprechstunde“ erhalten Sie Antworten auf Fragen, die sich dabei im hausärztlichen Alltag ergeben.
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Frage: Für die dauerhafte Antikoagulation bei Patienten mit Vorhofflimmern sind drei neue orale Antikoagulanzien zugelassen, nämlich Dabigatran (Pradaxa®), Rivaroxaban (Xarelto®) und Apixaban (Eliquis®). Kann man diese drei Substanzen als gleichwertig betrachten oder gibt es differenzialtherapeutische Überlegungen, bei welchen Patienten die eine oder andere Substanz bevorzugt eingesetzt werden sollte?
Antwort: Für alle drei Substanzen gibt es überzeugende Studienergebnisse dahingehend, dass sie hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zumindest den Vitamin-K-Antagonisten gleichwertig sind, allerdings bei einem geringeren intrazerebralen Blutungsrisiko.
Die Frage, welcher dieser Wirkstoffe nun für den einzelnen Patienten die beste Therapie darstellt, lässt sich nicht definitiv beantworten, da keine direkten Vergleichsstudien vorliegen. Doch nach den vorliegenden Studienergebnissen, auch im Hinblick auf die Nebenwirkungen bzw. Blutungskomplikationen, sind vorsichtige differenzialtherapeutische Empfehlungen möglich.
Mit anderen Worten: die ideale Substanz für alle Patienten gibt es nicht. So empfiehlt sich die Gabe von Dabigatran in niedriger Dosierung von 2 x 110 mg täglich oder Apixaban 2 x 5 mg täglich insbesondere für Patienten mit einem erhöhten Blutungsrisiko. Bei Patienten mit einer schweren gastrointestinalen Blutung in der Vorgeschichte oder einem hohen Risiko dafür sprechen die Daten eher für die Gabe von 2 x 5 mg Apixaban.
Bei Patienten mit Zustand nach TIA bzw. Schlaganfall sind Rivaroxaban oder Apixaban vorrangig zu empfehlen. Für Patienten mit einem sehr hohen Risiko für einen ischämischen Insult und einem niedrigen Blutungsrisiko dürfte Dabigatran in einer Dosierung von 2 x 150 mg vorteilhaft sein.
Bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung bzw. Zustand nach Myokardinfarkt sprechen die Studienergebnisse eher für die Gabe von Rivaroxaban.
Bei Patienten mit einer chronischen Niereninsuffizienz sollte Dabigatran nur bis zu einer GFR von 30 ml/min. eingesetzt werden, Rivaroxaban und Apixaban sind erst bei einer GFR < 15 ml/min. kontraindiziert.
Bei der Gabe von Dabigatran können gastrointestinale Beschwerden auftreten, sodass eventuell eine Umstellung auf eine andere Substanz erforderlich wird.
Frage: Welche Interaktionen bzw. Kontraindikationen müssen bei der Gabe eines neuen oralen Antikoagulanz bedacht werden?
Antwort: Im Unterschied zu einem Vitamin-K-Antagonisten ist der entscheidende Vorteil der neuen oralen Antikoagulanzien die vorhersehbare Pharmakodynamik und Pharmakokinetik, die eine Anwendung in fixer Dosierung ohne die Notwendigkeit eines Routinemonitorings der Gerinnungshemmung erlaubt. Auch sind Interaktionen mit der Nahrungsaufnahme nicht zu erwarten.
Doch alle drei Substanzen interagieren mit dem CYP3A4-Isoenzym und/oder dem Effluxtransporter P-Glykoprotein (P-gp), was zu klinisch relevanten Arzneimittelinteraktionen führen kann.
Dabigatran wird durch P-Glykoprotein nach Aufnahme im Darm wieder effizient aus dem Enterozyt in das Lumen zurückgepumpt, was die relativ niedrige Bioverfügbarkeit der Substanz erklärt. Deshalb sollte die gemeinsame Gabe von Dabigatran mit einem P-Glykoprotein-Hemmstoff wie Amiodaron, Verapamil, Clarithromycin, Chinidin, Ketoconazol, Itraconazol, Cyclosporin, Tacrolimus und Dronedaron vermieden werden. Umgekehrt können Inhibitoren des P-Glykoprotein wie Rifampicin, Johanniskraut, Carbamazepin und Phenytoin den Wirkspiegel erhöhen.
Bei Rivaroxaban und Apixaban sollte die gleichzeitige Gabe von Ketoconazol, Itroconazol, Voriconazol, Posaconazol, HIV-Proteaseinhibitoren, die den Wirkspiegel erhöhen können, ebenso vermieden werden wie die von Rifampicin, Johanniskraut, Phenobarbital, Carbamazepin und Phenytoin, die den Wirkspiegel senken.
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Stiefelhagen, P. Differenzialtherapie mit neuen Antikoagulanzien. MMW - Fortschritte der Medizin 155, 20 (2013). https://doi.org/10.1007/s15006-013-0676-8
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DOI: https://doi.org/10.1007/s15006-013-0676-8