Eine 53-jährige Frau klagt, sie traue sich kaum mehr für längere Zeit aus dem Haus, geschweige denn ins Theater oder nur zum Bäcker um die Ecke. Manchmal sei der Harndrang so stark, dass sogar Urin in die Hose gehe, wenn keine Toilette in der Nähe ist. Mittlerweile benutze sie fünf bis sechs Vorlagen pro Tag — Tendenz steigend.
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_ Die Überaktive Blase (Overactive Bladder = OAB) ist nach Ausschluss anderweitiger Erkrankungen ein Symptomenkomplex, der sich mit häufigem Harndrang (Pollakisurie), nächtlichem Harndrang (Nykturie), plötzlich eintretender Drangsymptomatik („Urgency“) mit oder ohne Harninkontinenz („trockene“/„nasse“ OAB) präsentiert.
Die Prävalenz liegt bei etwa 12%, wobei ca. ein Drittel zusätzlich an einer Dranginkontinenz leidet. Die Mehrzahl der OAB-Patienten sind Frauen. Für viele Betroffene resultiert daraus eine Einschränkung des sozialen Lebens. Nicht selten sind Depressionen und sozialer Rückzug Folgeerscheinungen.
Wonach Sie fragen sollten
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Alter?
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Miktionsfrequenz? Nykturie?
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Liegt eine Harninkontinenz vor, auch unter Belastung (Niesen, Husten, Lachen)?
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Anzahl der benötigten Vorlagen pro Tag?
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Dysurie? Hämaturie? Fremdkörpergefühl?
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Trinkmenge?
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Liegen Begleiterkrankungen vor, v. a. kardiovaskulärer oder neurologischer Art Gibt es Voroperationen, v. a. das kleine Becken betreffend?
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Welche Medikamente nehmen Sie?
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Welche Therapie erfolgte bisher?
Was können Sie tun?
Ist ein Harnwegsinfekt oder eine andere Pathologie ausgeschlossen worden, kann der Hausarzt folgende primäre Maßnahmen einleiten:
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Verhaltenstraining (Miktionstraining und Beckenbodengymnastik mit Biofeedback).
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Medikamentöse Therapie. Hier sind Anticholinergika entscheidend: Darifenacin (Emselex®), Fesoterodin (Toviaz®), Oxybutynin (z. B. Dridase®, Kentera®, Oxybutynin®), Propiverin (Mictonetten®, Mictonorm® (Uno®)), Solifenacin (Vesikur®), Tolterodin (Detrusitol®), Trospiumchlorid (z. B. Spasmex®, Spasmo-Urgenin®).
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Therapieziele sind die Reduktion der Miktionsfrequenz, der Inkontinenzepisoden und des Vorlagenverbrauchs sowie eine Steigerung der Lebensqualität.
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Viele Patienten suchen aufgrund fehlenden therapeutischen Ansprechens der medikamentösen Therapie und wegen Nebenwirkungen (Mundtrockenheit mit 29,6% am häufigsten, speziell bei Oxybutynin) nach Therapiealternativen. Hier kommen minimal-invasive Verfahren zum Tragen (zystoskopische Blaseninjektionstherapie mit Botulinumtoxin A, sakrale Neuromodulation). Diese sollten nach Vorstellung in spezialisierten urologisch-urogynäkologischen Zentren eingeleitet werden.
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Bei Versagen dieser Optionen kommen extrem selten offen-chirurgische Verfahren als Ultima Ratio in Betracht (Blasenaugmentation, Zystektomie).
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Golsong, J. „Ich kenne schon jede Toilette in der Stadt“. MMW - Fortschritte der Medizin 155, 44 (2013). https://doi.org/10.1007/s15006-013-0499-7
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