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PD Dr. med. T. M. Kapellen Klinik und Poliklinik für Kinder und Jugendliche, Universität Leipzig

_ In den wenigen kleinen Studien zur Kinderzahl bei Männern mit Typ-1-Diabetes finden sich keine Unterschiede zur Allgemeinbevölkerung. Die Zahl der Nachkommen wird sicher von mehreren Aspekten beeinflusst. Neben der Überlegung, ob auch die eigenen Kinder an Typ-1-Diabetes erkranken könnten, beeinflussten auch die Stoffwechseleinstellung und das zu erwartende komplexere Management in der Schwangerschaft die Geburtenrate.

In einer populationsbasierten retrospektiven Kohorte wurde die Anzahl von Kindern von Frauen und Männern, die im Kindesalter an einem Typ-1-Diabetes erkrankt waren, erfasst und mit einer gematchten Kontrolle verglichen. Dafür analysierten die Autoren Patientendaten einer nationalen finnischen Diabeteskohorte, die ursprünglich zur Erfassung der Mortalität initiiert wurde (Diabetes Epidemiology Research International, DERI). So konnten 2307 Frauen und 2819 Männer mit Diabetes mit 4530 bzw. 5509 Kontrollen verglichen werden.

Diabetikerinnen bekamen im Mittel 1,10 Kinder, wohingegen Frauen aus der Kontrollgruppe 1,83 Kinder gebaren. Bei den Männern mit Diabetes war der Unterschied zu den Kontrollen nicht ganz so groß (1,21 vs. 1,47 Kinder). Wenn ein Elternteil einen Diabetes hatte, war die Familiengröße signifikant kleiner als in der Kontrollkohorte. Die Wahrscheinlichkeit bei Diabetikerinnen für ein erstes Kind lag bei 0,66%, bei Männern mit Typ-1-Diabetes bei 0,77%. Der größte Unterschied zwischen Männern und Frauen mit Typ-1-Diabetes in der Wahrscheinlichkeit Kinder zu bekommen, stellte man für die Geburt des zweiten Kindes fest: Wohingegen sich die Wahrscheinlichkeit für männliche Diabetiker nicht von der Kontrollgruppe unterschied, betrug sie für Diabetikerinnen lediglich 59%. Eine Analyse zum Einfluss des Manifestationsalters zeigte, dass für Männer die Wahrscheinlichkeit, vater zu werden stieg, wenn der Diabetes später auftrat. Der Zeitpunkt der Erkrankung spielte bei Frauen erst bei dem zweiten Kind eine Rolle.

Schlussfolgerungen: In dieser Studie war in den analysierten Geburtsjahren die Kinderzahl bei Frauen und Männern mit seit der Kindheit bestehendem Typ-1-Diabetes signifikant niedriger als bei gesunden Kontrollen. Es zeigte sich jedoch auch eine zunehmende „Normalisierung“ bei jüngeren Geburtenjahrgängen.

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Die Geburtenraten bei Diabetikerinnen nähern sich der bei Gesunden an.

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Kommentar

Dass diabetische Eltern weniger Kinder bekommen, kann verschiedene Gründe haben. Diskutiert werden Menstruationsunregelmäßigkeiten bei Frauen und erektile Dysfunktion, reduzierte Samenqualität sowie eine höhere Zahl von retrograden Ejakulationen bei männlichen Typ-1-Diabetikern. Für die These spricht unter anderem, dass mit einem jüngeren Manifestationsalter, also einer längeren Diabetesdauer, gerade bei Männern die Nachkommenzahl signifikant sinkt. Dabei gilt es allerdings zu beachten, dass vielleicht nicht alle Männer am Studienende ihre Familienplanung bereits beendet haben. Andere Studien zeigen, dass gerade Frauen mit Typ-1-Diabetes gezielt kinderlos bleiben. Die Entscheidung wird sicher von dem Risiko, dass das Kind auch einen Diabetes bekommen kann, beeinflusst. Auch die Haltung der behandelnden Diabetologen zu dieser Möglichkeit und zum Risiko der Schwangerschaft an sich kann darauf einwirken. Dies wird bekräftigt durch den Fakt, das in späteren Geburtenjahrgängen der Unterschied zwischen Diabetikern und Kontrollen geringer wird.