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Prof. Dr. med. H. S. Füeßl Isar-Amper-Klinikum, Kl. München-Ost, Haar

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MRT in sagittalen und koronaren Schnitten; links Ausgangswert vor Beginn der Erkrankung; Mitte bei der Erstvorstellung mit deutlicher homogener Vergrößerung der Hypophyse; rechts Abnahme der Hypophysengröße unter ausreichender Substitution mit L-Thyroxin.

© Can. Med. Assoc. J. 2012; 184: 210

_ Bei einer 37-jährigen Frau war seit 20 Jahren eine Hypothyreose bekannt, die mit L-Thyroxin substituiert war. Neun Monate vor der Vorstellung beim Endokrinologen fiel eine TSH-Konzentration von 7,38 mIU/L (Normalbereich 0,27–4,20 mIU/L) auf, was zu einer einer Dosiserhöhung von L-Thyroxin von 0,2 mg auf 0,25 mg täglich führte.

Trotz dieser Erhöhung fühlte sich die Patienten zunehmend müde, litt unter Kopfschmerzen, Gewichtszunahme und einer Sekretion beider Brustdrüsen. Anamnestisch waren eine Hypertonie, eine Gicht, eine bipolare Störung und eine Arthrose bekannt. Daher wurde die Patientin mit Atenolol, Colchicin, Quetiapin, Bupropion, Escitalopram, Pregabalin, Topiramat und Hydroxychloquin behandelt. Vitamine oder Phytotherapeutika nahm sie nicht ein.

Das äußere Erscheinungsbild der Patientin war typisch für eine Hypothyreose mit trockener Haut und verzögerten Eigenreflexen. Eine TSH-Konzentration von >100 mIU/L bei einem FT3-Spiegel von 2,5 pmol/L und einem FT4 von 5 pmol/L sowie Prolactinwerten von 79 μg/L (Normalbereich 3–29) bestätigten die Diagnose. Im MRT des Kopfes war die Hypophyse der Patientin homogen vergrößert, ein Befund, der mit einer Hyperplasie vereinbar war (siehe Abb.).

Die Dosis von L-Thyroxin wurde auf 0,3 mg täglich erhöht. In den folgenden Monaten besserte sich die klinische Symptomatik und normalisierten sich die oben genannten Laborbefunde. Ein Follow-up-MRT ein halbes Jahr später ergab eine deutliche Abnahme der Hypophysengröße. Der ungewöhnliche Verlauf dieses Falles führte zu einer Art von kriminalistischer Recherche, bei der man herausfand, dass der Apotheker statt der verordneten 0,25 mg täglich, Tabletten in der Dosierung von 0,025 mg herausgegeben hatte.

Kommentar

Eine schwere Hypothyreose kann zu einer allgemeinen Hyperplasie der Hypophyse führen, wenn durch TRH die TSH-produzierenden Zellen überstimuliert werden. Dabei kann es auch zu einer erhöhten Sekretion von Prolactin kommen. Nachdem mit Bild gebenden Verfahren nicht zuverlässig zwischen einer Hyperplasie und einem Makroadenom zu unterscheiden ist, kommt der sorgfältigen klinischen Evaluation große Bedeutung zu. Eine ausreichende Dosierung mit L-Thyroxin kann, wie in diesem Fall, zur Rückbildung der Hyperplasie führen und machte somit eine chirurgische Maßnahme unnötig. Wenn eine Therapie nicht anspricht, sind nicht immer schlechte Adhärenz, Malabsorption oder Interaktionen daran schuld, manchmal liegt es auch am Apotheker oder der miserablen Schrift des verordnenden Arztes. Zur Vermeidung derartiger Fehler ist es unbedingt erforderlich, dass auf dem Rezept vor der Dezimalstelle eine Null gesetzt wird und die Dosiseinheiten klar und deutlich geschrieben werden. Der Fallbericht stammt aus Kanada. Mit den in Deutschland üblichen elektronisch ausgestellten Rezepten gehören derartige Probleme der Vergangenheit an.