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Prof. Dr. med. H. S. Füeßl Isar-Amper-Klinikum, Kl. München-Ost, Haar

_ Obere gastrointestinale Blutungen gehen mit hoher Morbidität und Mortalität einher. Sie sind eine sehr häufige Indikation für Bluttransfusionen, die in einzelnen Fällen sicher lebensrettend sein können. In den meisten Fällen ist die Blutung allerdings nicht sehr stark und kommt spontan zum Stillstand, so dass sich die Frage erhebt, welchen Patienten man mit einer Transfusion tatsächlich nützt. Ob man mit Bluttransfusionen eher großzügig oder restriktiv sein soll, wurde nun in einer randomisierten kontrollierten Studie zwischen 2003 und 2009 an einem großen Krankenhaus in Barcelona untersucht.

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Nicht bei jeder Blutung muss sofort Blut übertragen werden.

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Von 921 Patienten mit schwerer akuter oberer gastrointestinaler Blutung wurden 461 in eine Gruppe mit restriktiver (Transfusionsindikation ab Hb von < 7 g/dl) und 460 in eine Gruppe mit großzügiger (Transfusion ab Hb von < 9 g/dl) Transfusionsstrategie randomisiert. In der restriktiver gehandhabten Gruppe strebte man ein Hb zwischen 7 und 9 g/dl, in der großzügig transfundierten Gruppe zwischen 9 und 11 g/dl an, wobei nach jeder einzelnen Blutkonserve das Hämoglobin bestimmt wurde.

Alle Patienten unterzogen sich innerhalb von 6 h nach der Aufnahme einer Notfall-Gastroskopie. Patienten mit blutenden Ulzera wurden endoskopisch behandelt und erhielten Omeprazol im Perfusor. Beim Verdacht auf portale Hypertension wurde mit Somatostatin und prophylaktischer Antibiotikagabe behandelt. Primärer Studienendpunkt war die Rate verstorbener Patienten innerhalb von 45 Tagen. Sekundäre Studienendpunkte bezogen sich auf den Prozentsatz fortgesetzter Blutungen, die hämodynamische Stabilität und weitere Komplikationen während des Krankenhausaufenthaltes.

225 Patienten, die der restriktiven Gruppe zugeordnet waren (51%) und 65 Patienten der großzügig gehandhabten Strategie (15%) erhielten keine Transfusionen. Die Wahrscheinlichkeit des Überlebens sechs Wochen nach dem Ereignis fiel mit 95% vs. 91% signifikant zu Gunsten der Gruppe mit Zurückhaltung bei der Bluttransfusion aus.

Kommentar

Auf den ersten Blick liegt es nahe, den Blutverlust von Patienten mit oberer gastrointestinaler Blutung möglichst rasch und vollständig auszugleichen. Tatsächlich bewirkt diese gut gemeinte Maßnahme aber bei den meisten Patienten genau das Gegenteil, da die Überlebenschancen der so behandelten Patienten schlechter und die Komplikationsrate höher sind als in der Patientengruppe, bei der man eine ausgeprägte Anämie toleriert.

Möglicherweise leisten gerade die Anämie und die Hypovolämie den größten Beitrag zur Verhinderung einer erneuten Blutung und weiterer Komplikationen. Durch großzügig verabreichte Transfusionen kommt es zu einer Erhöhung des Pfortaderdrucks, was vor allem bei der Varizenblutung von Nachteil ist. Gleichzeitig können kardiale Komplikationen, vor allem ein Lungenödem, bei den schwer kranken Patienten auftreten.

Sicher können die Ergebnisse dieser Studie nicht auf alle Patienten mit akuter gastrointestinaler Blutung übertragen werden. Der gängige Reflex, wonach bei einer Blutung aber sofort Blut übertragen werden muss, sollte sich nicht in die klinische Routine einschleichen, auch wenn das auf den ersten Blick paradox erscheint und einer gewissen Überwindung bedarf. Obwohl die Studie naturgemäß nicht verblindet sein konnte, kommt ihr doch das Verdienst zu, ein scheinbar selbstverständliches und sinnvolles Vorgehen kritisch überprüft und widerlegt zu haben.

im Sinne des Patienten tut man gut daran, den Blutverlust bei oberer gastrointestinaler Blutung nicht sofort reflexartig mit Transfusionen zu ersetzen, sondern eine gewisse Anämie zu tolerieren.