Nutzen Sie den Online-Service der MMW! Unter www.springermedizin.de/mmw-sprechstunde erhalten Sie Rat in kniffligen Fällen. Unsere Experten, Prof. H. S. Füeßl und Dr. med. P. Stiefelhagen, beantworten — meist innerhalb von 48 Stunden — medizinische Fragen, die sich in Ihrem Praxisalltag ergeben.

Frage von Dr. R. G.:

Ich habe eine Frage, die sich neulich im Gespräch unter Kollegen ergeben hat: Wie gesund war eigentlich das Ernährungsverhalten der alten Römer? Ist das Accubare (zu Tische liegen) aus moderner medizinischer Sicht eher ungünstig und wenn ja, weshalb? Und: War der Griff zur berühmten Pfauenfeder nicht eigentlich als Zeichen einer Bulimie o. ä. Essstörung zu sehen? Ist die Annahme aus ernährungsmedizinischer Sicht richtig, dass die Zeit der Dekadenz wohl auch mit einer Häufung von Magenproblemen einherging (Reflux, Gastritiden)?

MMW-Experte Dr. Stiefelhagen

Jede Zeit hat ihre eigenen Ernährungsgewohnheiten und Essrituale, die jedoch vorrangig nicht von medizinischen Überlegungen — siehe Fast Food — geprägt sind. So wird es auch im alten Rom gewesen sein. Das provozierte Erbrechen diente lediglich dazu, mehr essen zu können. Ob sich hinter dieser Völlerei damals schon eine Psychopathologie versteckte, weiß ich nicht. Auch die Frage, ob die Nahrungsaufnahme im Liegen Verdauungsprobleme oder gar vermehrt Sodbrennen verursachen kann, kann ich Ihnen nicht beantworten. Wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema sind mir jedenfalls nicht bekannt. Die weit verbreitete Vorliebe, das Frühstück im Bett zu genießen, spricht eher dagegen. Auch haben die Gastroenterologen zwischenzeitlich von der früheren Empfehlung, bei Refluxbeschwerden mit erhöhtem Oberkörper zu schlafen, Abstand genommen, weil es nichts bringe.

MMW-Experte Prof. Füeßl:

Es gibt keine wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber, ob es aus ernährungsphysiologischer Sicht vorteilhaft ist, beim Essen zu liegen. Die Frage entstand wohl in einer geselligen Herrenrunde von Humanisten, die ihre Informationen aus der Cena Trimalchionis bezog. Man darf aber nicht vergessen, dass es sich bei diesen literarisch dokumentierten Gelagen um Vergnügen handelte, die maximal 0,1% der Bevölkerung genießen konnten und die zudem nur Herren zuteil wurden (daher passt die „Herrenrunde“), da Frauen vom Gastmahl im Liegen ausgeschlossen waren. Das induzierte Erbrechen diente sicher nur dazu, den Magen rasch zu entleeren, um Platz für neue Köstlichkeiten zu schaffen.

Die große Masse der Bevölkerung hatte dagegen ganz andere Sorgen. Sie nahm ihre Polenta im Stehen oder Sitzen zu sich und niemand wäre es in den Sinn gekommen, die wertvolle Kost wieder herzugeben.

Fast in der gesamten Geschichte der Menschheit bezogen sich Probleme mit der Ernährung vor allem auf den Mangel. Erst in den letzten 30 Jahren haben wir im privilegierten Teil der Welt mit dem Überfluss als Massenphänomen zu kämpfen. Die Sorge um Gesundheit und Essen waren zu allen Zeiten an beiden Seiten der Extreme vor allem ein sozioökonomisches Problem.

figure 1

Prof. Dr. med. H. S. Füeßl Isar-Amper-Klinikum, München-Ost, Haar

figure 2

Dr. med. P. Stiefelhagen Westerwald-Klinik Hachenburg

figure 3

Dieser QR-Code führt Sie direkt zur MMW-Sprechstunde.