_ Ärzte einer pädiatrischen Klinik in Wisconsin sind 400 Fällen nachgegangen, die im Alter von maximal einem Jahr dem „Child Protection Team“ der Klinik vorgestellt worden waren; es sollte der Verdacht einer aktuellen Misshandlung geklärt werden. Von den 200 Kindern, bei denen sich dieser Verdacht bestätigte, hatte mehr als ein Viertel eine geringfügige, aber deutlich sichtbare Verletzung in der Vorgeschichte, die mindestens einem Elternteil aufgefallen war und für die sich keine plausible Erklärung fand. In 80% handelte es sich dabei um Blutergüsse oder Striemen an Kopf, Gliedmaßen oder Stamm, in 11% um eine Verletzung in der Mundhöhle, z. B. ein eingerissenes Frenulum oder eine Verletzung der Zunge. Derartige anamnestisch erfasste Blessuren wies keines der Kinder einer Vergleichsgruppe auf, bei denen zwar der Verdacht auf eine Misshandlung bestand, diese aber ausgeschlossen werden konnte.

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Schweren Misshandlungen gehen oft „geringfügige“ Verletzungen voraus.

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Vorboten für schlimme Gewalttaten

Bei Kindern, die noch nicht im Laufalter sind, sei es unwahrscheinlich, dass sie sich solche Verletzungen selbst zufügten, argumentieren Lynn K. Sheets und Kollegen vom Medical College of Wisconsin. Die Forscher werten die geringfügigen Blessuren ohne erkennbare Ursache daher als „Vorboten“ für die später erfolgte schwerere Misshandlung. Bei 63 der untersuchten Kinder fanden sich solche verdächtigen Läsionen in der Vorgeschichte, zum allergrößten Teil (95%) waren diese in den ersten sieben Lebensmonaten aufgetreten. 55 Kinder mit solchen primären Blessuren waren später Opfer einer schwereren Misshandlung geworden.

Wann immer sich bei Kleinkindern, die noch nicht laufen können, keine plausible Erklärung findet für blaue Flecken, Blutergüsse, Striemen oder auch Verletzungen in der Mundhöhle, sollte man an Missbrauch denken, legen Sheets et al. ihren Kollegen ans Herz. Schon eine einzelne Läsion könne ein Vorbote für eine schlimmere Gewalttat sein. Die Studie habe gezeigt, so die Autoren, dass es sich häufig um Wiederholungstaten handelt. Wer die genannten Anzeichen ernst nehme und schon den ersten begründeten Verdacht melde, könne demnach schlimmere Fälle von Kindesmisshandlung verhindern.