Avoid common mistakes on your manuscript.
Die Pharmaindustrie beginnt, sich mit den neuen Bedingungen der frühen Nutzenbewertung zu arrangieren. Ralf Göddertz, Geschäftsführer von Daiichi Sankyo in Deutschland, sieht das System prinzipiell als förderlich für Innovation. Im Gespräch mit Springer Medizin kritisiert er trotzdem die Behörden, die sich mitunter eher vom Sparzwang als von den Patienteninteressen leiten ließen. Überhaupt nicht nachvollziehen kann er den Versuch, ein neues Medikament seiner Firma vor Ablauf des Patentschutzes auf Generika-Preisniveau herunter zu regeln — hier büße das deutsche System viel an Verlässlichkeit ein.
MMW: Wie gut können Sie in Deutschland planen? Was hat sich seit Januar 2011 geändert, als das AMNOG, das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz, in Kraft trat?
Göddertz: Eine planerische Sicherheit bestand vor dem AMNOG darin, dass neue Arzneimittel nach der Zulassung keine zusätzlichen Hürden nehmen mussten in Bezug auf den Preis und die Erstattungsfähigkeit. Nun gibt es die frühe Nutzenbewertung: Der Wert einer Innovation wird früh bemessen und ist dann Basis für die Preisverhandlung. Das Prinzip kennt die Industrie aus anderen Ländern, und es wäre auch unkritisch, wenn man sich verlässlich vorbereiten könnte und sich die Bewertung vor allem am Patientennutzen ausrichten würde. Im Moment habe ich aber den Eindruck, dass in erster Linie der Preis so niedrig wie möglich gehalten werden soll.
MMW: Worauf basiert Ihr Eindruck, dass die Behörden die Kostenreduktion über das Patientenwohl stellen?
Göddertz: Ein gutes Beispiel ist unser Thrombozytenaggregationshemmer Prasugrel, das Efient®. Das IQWiG hat ihm in der Nutzenbewertung vor dem AMNOG eine Überlegenheit gegenüber dem Standard Clopidogrel attestiert. Nach dem AMNOG wurde es noch einmal bewertet — indirekt, als Vergleichssubstanz für Ticagrelor. In bestimmten Gruppen waren beide Substanzen bei akutem Koronarsyndrom gleichwertig, und nach den Preisverhandlungen kosten sie nun auch etwa gleich viel. 2012 wurden beide in den Europäischen Kardiologie-Leitlinien bei akutem Koronarsyndrom bevorzugt empfohlen und der bisherige Standard Clopidogrel zurückgestuft.
Doch nun plant der G-BA plötzlich eine Referenzpreisgruppenfestlegung mit generischem Clopidogrel! Das war für uns schon eine böse Überraschung. Wir hatten mit Vielem gerechnet, aber nicht damit, dass man eine solche Konstellation finden würde.
MMW: Für eine solche Referenzpreisgruppe bedarf es doch dreier Substanzen in einer Gruppe.
Göddertz: Ja. Der G-BA argumentiert, dass sich die Generikazulassung von Clopidogrel auf ein anderes Salz bezog als das Original. Somit gebe es drei Substanzen: die beiden Clopidogrel-Salze und Prasugrel.
MMW: Was würde das konkret bedeuten, wenn es hier zu einer Festbetragsbildung kommt?
Göddertz: Dieser Festbetrag würde vermutlich auf dem Niveau des generischen Clopidogrels liegen, also etwa 80% unter dem Preis von Prasugrel oder Ticagrelor. So würde im Prinzip der Patentschutz ausgehebelt: Wir dürften Prasugrel weiterhin exklusiv herstellen, aber den Preis würde man uns schon mal auf Generika-Niveau absenken — faktisch eine Enteignung.
In unserer Stellungnahme haben wir darauf hingewiesen, dass Prasugrel deutlich effektiver ist als Clopidogrel. Außerdem hätten Patienten, die Ticagrelor nicht einnehmen können, nur das unterlegene Clopidogrel — oder sie müssten einen Differenzbetrag selbst bezahlen, falls wir den Preis nicht auf das beschlossene Niveau senken können. Für uns eine kritische Situation, denn wir tragen Verantwortung für die 30 000 Patienten, die im Moment mit Efient® behandelt werden.
Das Gespräch führten Dirk Einecke und Cornelius Heyer.
Rights and permissions
About this article
Cite this article
„Das Patientenwohl sollte über der Kostendämpfung stehen“. MMW - Fortschritte der Medizin 155, 16 (2013). https://doi.org/10.1007/s15006-013-0415-1
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s15006-013-0415-1