_ Der 62-jährige Patient ohne ernsthafte Vorerkrankungen klagte über plötzlich einsetzende, anhaltende, wässrige Durchfälle ohne Blutbeimengung, die innerhalb weniger Wochen zu einer starken Gewichtsabnahme führten. Überdies verspürte er leichte Bauchschmerzen.

Sonografie und CT: Metastasierendes Pankreaskarzinom

Bei der klinischen Untersuchung war der Patient in deutlich reduziertem Allgemein- und Ernährungszustand. Bei der Palpation des Abdomens klagte er über einen leichten, diffusen Druckschmerz. Eine Resistenz war nicht tastbar. Laborchemisch war die BSG dreistellig erhöht, zusätzlich bestand eine deutliche Hypokaliämie (2,4 mval/l). Kreatinin war mit 1,4 mg/dl leicht erhöht. Die Leberwerte (Bilirubin, Gamma-GT, AP, Transaminasen) waren ebenfalls leicht bis mittelgradig erhöht.

Die Oberbauchsonografie zeigte im Bereich des Pankreasschwanzes eine Raumforderung (Durchmesser ca. 3 cm). In beiden Leberlappen fanden sich zahlreiche echogene Rundherde, sodass der Verdacht auf ein metastasiertes Pankreaskarzinom geäußert wurde. In der Computertomografie fanden sich eine hypodense Läsion am Übergang vom Pankreaskorpus zum Pankreasschwanz sowie ebenfalls diffuse Lebermetastasen.

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Abdomen-CT: Pankreastumor mit multiplen Lebermetastasen.

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Leberpunktion führt zur Diagnose

Immunhistochemische Untersuchungen des Leberpunktats führten dann zur Diagnose: Es handelte sich um ein neuroendokrines Karzinom. Entsprechend war Chromogranin A im Blut deutlich erhöht.

Angesichts der Ausdehnung des Tumorleidens kam eine Operation nicht in Frage. Eine Chemotherapie lehnte der Patient ab. Unter einer Therapie mit dem Rezeptor-Tyrosinkinase-Inhibitor Sunitinib kam es innerhalb weniger Wochen zu einem kompletten Sistieren der Durchfälle mit Verbesserung des Allgemeinbefindens und Gewichtszunahme.

Oft als Reizdarmsyndrom verkannt

Neuroendokrine Tumoren sind eine seltene maligne Erkrankung, die sich aus endokrinen Zellen entwickeln. Sie sind im Magen-Darm-Trakt bzw. Pankreas oder im Bronchialsystem lokalisiert.

Nur ein Teil dieser Tumoren ist funktionell aktiv, bzw. sezerniert Hormone wie Glukagon, Insulin, Serotonin oder Gastrin, wodurch Symptome wie Flush, Diarrhöen, Hypoglykämien und Bauchschmerzen entstehen.

Die meist unspezifische Symptomatik erschwert die Diagnostik. Nicht selten wird das Krankheitsbild zunächst als funktionelles Beschwerdebild bzw. Reizdarmsyndrom fehlinterpretiert. Oft vergehen mehrere Jahre ab Symtombeginn, bis die richtige Diagnose gestellt wird.

Neue zielgerichtete Therapien

Die Prognose der neuroendokrinen Karzinome ist deutlich besser als die anderer Karzinome. So liegt die mediane Überlebenszeit bei über sechs Jahren. Bei Patienten mit Fernmetastasen beträgt die Fünf-Jahre-Überlebensrate 35%. Bei Patienten mit einem pankreatischen neuroendokrinen Karzinom sind die Überlebensraten etwas schlechter.

Die Operation des Primärtumors ist der einzige kurative Ansatz. Im fortgeschrittenen bzw. metastasierten Stadium kommen neue zielgerichtete Therapien wie der Rezeptor-Tyrosinkinase-Inhibitor Sunitinib oder der mTOR-Inhibitor Everolimus zum Einsatz. Diese Substanzen hemmen die Progression der Erkrankung und verlängern das progressionsfreie Überleben. Für die Symptomkontrolle stehen Somatostatin-Analoga wie Octreotid zur Verfügung.