_ In einem kleinen Krankenhaus am Stadtrand von Berlin, Sommer 1962, knapp ein Jahr nach Errichtung der Mauer: Bei einer 74-jährigen Patientin, bei der am folgenden Tage die vaginale Exstirpation eines Uterus myomatosus erfolgen soll, ergibt der Laborbefund 200 000 Leukozyten.

Der Blutausstrich läßt keinen Zweifel an der Diagnose: Chronische lymphatische Leukämie. Die gynäkologische Operation wird abgesetzt und die Patientin auf die Innere Abteilung verlegt.

Als ich bei der nächsten Visite den Sachverhalt erläutere, fällt mir die ältere Dame in ihrem schlesischen Dialekt ins Wort: „Doktor, Sie können ruhig deutsch reden, ich weiß ja, was ich hoab’, die Weißen frressen die Rroten uff, ich tät’s ja o asu (auch so), wenn ich nur könnt’!“