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Folge 91

Ärztliche Erfahrung beschränkt sich nicht auf medizinisches Fachwissen. Sie entsteht auch aus den mehr oder minder alltäglichen, heiter, ärgerlich oder nachdenklich stimmenden Erlebnissen mit Patienten, Kollegen und Mitarbeitern. Senden Sie uns Ihre Geschichte an: Brigitte.Moreano@springer.com. Für jeden veröffentlichten Text erhalten Sie bis zu 100 Euro.

© A. Klementiev/Fotolia

_ Es war wieder einmal Grippezeit. Das Wartezimmer war voll und die Hausbesuche sehr zahlreich. Auf unserer Hausbesuchstour betraten meine Arzthelferin und ich eine Patientenwohnung. Ich stellte mich vor und fragte gleich nach der erkrankten Ehefrau. „Meine Lebensgefährtin, die liegt dahinten im Schlafzimmer“.

Wir gingen strammen Schrittes ins Schlafzimmer. Die Helferin hatte — während ich die Anamnese erhob — schon den Koffer ausgepackt und reichte mir die Instrumente. Es erfolgte eine gründliche Untersuchung: Thoraxorgane, Racheninspektion etc.

Zum Abschluss der Untersuchung konnte ich mir die etwas vorwurfsvolle Bemerkung nicht verkneifen: „Wissen Sie, bei diesem Befund hätten Sie aber auch in die Sprechstunde kommen können!“ Die Patientin etwas konsterniert: „Ja — aber, aber ich habe doch gar keinen Arzt bestellt“.

Erst jetzt klärte sich der Irrtum auf: eine falsche Hausnummer. Mit einer aufrichtigen Entschuldigung verließen wir die Wohnung und waren schon beim nächsten Hausbesuch, diesmal bei der richtigen Adresse.

Warum hatten uns die beiden nicht gleich darauf aufmerksam gemacht, dass sie gar keinen Hausbesuch bestellt hatten? Vermutlich hat der eine Partner geglaubt, der andere hätte den Arzt gerufen. Eine solch peinliche Situation hat sich zum Glück nie mehr wiederholt.