figure 1

Ist der Patient, der früher dialysiert wird, nur länger an der Dialyse?

© Klaus Rose

_ Zu den unbestrittenen klassischen Indikationen einer Nierenersatztherapie gehören urämische Symptome wie Inappetenz, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhöen, Perikarditis, Bewusstseinstrübungen, metabolische Azidose, therapierefraktäre Hyperkaliämie und Volumenüberlastung. Inwieweit bei Patienten nur auf der Basis eines GFR-Wertes eine Dialyse erwogen werden sollte, darüber wird kontrovers diskutiert. „Nach den aktuellen Empfehlungen kann eine Dialyse dann diskutiert werden, wenn die GFR < 15 ml/min. beträgt“, sagte Prof. Matthias Girndt von der Nephrologischen Universitätsklinik in Halle. Es sei unübersehbar, dass der Anteil der Patienten, der bei einer GFR zwischen 10 und 15 ml/min bereits dialysiert werde, in den letzten Jahren deutlich zugenommen habe. Man müsse die Frage stellen, ob dies für den Patienten immer vorteilhaft sei.

Frühe Dialyse verbessert nicht die Prognose

Um diese Frage zu beantworten, wurde vor einigen Jahren die IDEAL-Studie initiiert. Dabei wurden randomisiert Patienten entweder früh bei einer GFR 10–15 ml/min dialysiert oder erst, wenn die GFR auf 7 ml/min abgefallen war. Während Patienten in der ersten Gruppe durchschnittlich bereits nach 1,8 Monaten bei der Dialyse landeten, vergingen in der zweiten Gruppe im Schnitt 7,4 Monate. „Somit konnten die Patienten, die nicht sofort dialysiert wurden, ein halbes Jahr ohne Nierenersatztherapie gewinnen“, so Girndt.

Beim entscheidenden Endpunkt der Studie, nämlich dem Zeitintervall bis zum Eintritt des Todes, fand sich kein signifikanter Unterschied innerhalb von fünf Jahren zwischen beiden Behandlungsgruppen. „Allerdings musste die Dialyse bei vielen Patienten, bei denen zunächst ein späterer Dialysebeginn geplant war, schon früher wegen klassischer Urämiesymptome begonnen werden“, so Girndt.

Als Fazit könne man aus der Studie lernen, dass bei asymptomatischen Patienten mit guter nephrologischer Betreuung der Dialysebeginn nicht ausschließlich von einem bestimmten GFR-Wert abhängig gemacht werden sollte. Wenn klinisch vertretbar, kann mit der Dialyse gewartet werden, bis die GFR auf 5–7 ml/min gesunken ist. „Die Überlebensprognose wird dadurch nicht verschlechtert“, so Girndt. Empfehlenswert sei es, die Lebensqualität des einzelnen Patienten mit und ohne Nierenersatztherapie abzuschätzen.

In jedem Fall sei bereits in der Prädialysephase eine spezialisierte nephrologische Mitbehandlung essenziell.