_ Die Patientin kam von etwas weiter her, weil sie mich irgendwo in den Medien aufgetan hatte. Bei ihrer Terminvereinbarung wurden meine Damen schon stutzig, weil sie so begeistert von mir schwärmte. Nicht, dass die mich nicht für eine gute Ärztin hielten, aber so viele Lobeshymnen (und das im Voraus, ohne dass wir uns schon kennengelernt hätten) waren ihnen zurecht suspekt. Mir auch, denn ich weiß, dass ich solchen Vorschusslorbeeren kaum standhalten kann.

Nun war sie da, und es wurde so schwierig, wie wir befürchtet hatten. Sie schleppte ein riesiges Bündel psychosomatischer Lasten mit sich und hatte für alles und jedes Erklärungen parat, an denen sie auch nicht rütteln wollte. Alle anderen Ärzte hatten sie bitter enttäuscht. Nein, sie wisse zwar, dass sie ihren ungesunden Lebensstil ändern müsse, aber das könne sie nicht, sagte sie. Schließlich habe sie viel zu viel Stress dafür. Eine gründliche Untersuchung hätte sie vor Jahren das letzte Mal gemacht; der irre hohe Cholesterinspiegel damals hätte an ihrer Nascherei gelegen, die sie aber nicht ändern wolle, schließlich brauche sie all das Süße. Medikamente nähme sie generell nicht, denn man wüsste ja, dass diese nicht gesund seien.

Ich erklärte ihr freundlich aber fest, dass ich zwar manchmal ganz nett bin, aber nicht daran dächte, meine Zeit jemandem zu widmen, der so gar nicht zur Mitarbeit bereit wäre. Meine Kraft wäre mir zu schade dafür, um mich über schlechte Stoffwechselwerte zu ärgern, die ich nur dokumentieren, aber nicht korrigieren dürfe, weil weder gesunde Ernährung noch Medikamente akzeptiert würden. Dann bat ich sie, sich einen anderen Hausarzt zu suchen. Sie war noch sprachlos, als sie aus der Tür ging.

Warum war ich so kompromisslos? Weil sie nicht die erste war, mit der mir das passiert ist! Für meine eigene gute Stimmung habe ich mir versprochen, nichts Hoffnungsloses mehr zu beginnen, das mir die Kraft raubt. Die brauche ich noch für Patienten, die sich wenigstens ein Minimum an Mühe geben.