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Marktgesetze dürfen die Medizin nicht dominieren.

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_ Der Freiburger Medizinethiker und Arzt, Prof. Giovanni Maio, warnt vor den Folgen der immer stärker werdenden ökonomischen Ausrichtung des Gesundheitswesens. „Es war ein großer Irrtum, die Gesetze des Marktes einer sozialen Praxis wie der Krankenversorgung überzustülpen“, sagt Maio in einem Interview mit dem „Rheinischen Ärzteblatt“.

Maio: „Die Politiker haben aufgehört, selbst zu gestalten und überlassen alles der Wettbewerbsfähigkeit.“ Die diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) für die Vergütung in den Kliniken zeigen nach Ansicht des Internisten und Philosophen, welche Folgen die ökonomische Ausrichtung der Gesundheitsversorgung hat.

Im Fallpauschalensystem werde jedes Krankenhaus darauf achten, ob die Patienten gut behandelbar und rentabel sind und ob bei ihnen viel Technik zum Einsatz kommen kann. „Dagegen werden chronisch Kranke, Multimorbide und Patienten, die schwer zu behandeln sind, systematisch exkludiert.“

Kolonialisierung der Medizin

Das habe mit einem sozialen System nicht mehr viel zu tun, sagt Maio. „Wir beobachten heute eine Kolonialisierung der Medizin durch die Ökonomie“, kritisiert er. Ökonomisches Denken sei zwar wichtig, die Ökonomie dürfe aber nur eine Dienerin der Medizin sein. Der Arztberuf müsse ein freier Beruf bleiben, betont er. Die Freiheit versteht er als Verpflichtung, nur zum Wohle des Patienten zu entscheiden.

„Ärzte, die sich für die Ökonomie entscheiden, lassen sich nicht nur diese Freiheit nehmen, sondern geben das höchste Pfand aus der Hand, das sie besitzen: die Vertrauenswürdigkeit ihrer Profession“, sagt Maio. Für das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient sei es wichtig, dass Ärzte das Gefühl haben, für ihr persönliches Engagement belohnt zu werden. „Was wir heute jedoch erleben, ist die Bestrafung dieses persönlichen Einsatzes“, so der Medizinethiker.