Unseren Lesern steht ein neuer Online-Service zur Verfügung: Unter www.springermedizin.de/mmw-sprechstunde erhalten Sie Rat in kniffligen Fällen. Unsere Experten, Prof. H. S. Füeßl und Dr. med. P. Stiefelhagen, beantworten — meist innerhalb von 48 Stunden — medizinische Fragen, die sich in Ihrem Praxisalltag ergeben.

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Prof. Dr. med. H. S. Füeßl Isar-Amper-Klinikum, München-Ost, Haar

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Dr. med. P. Stiefelhagen Westerwald-Klinik Hachenburg

Frage von N. N.:

Vom Institut für Pharmazeutische Biotechnologie, Hochschule Wädenswil, wird die Behandlung der Borreliose in der chronischen Verlaufsform mit den Kombinationen Hydroxychloroquin und Doxycyclin bzw. Hydroxychloroquin und Minocyclin empfohlen. Ceftriaxon hat keine Wirkung gegen Borrelien in der chronischen Verlaufsform und wirkt nicht gegen die zystischen und intrazellulären Formen der Borrelien. Hydroxychloroquin soll zystische Formen der Borrelien abtöten und als „disease modifying antirheumatic drug“ die Entzündungen bei Lyme-Arthritis lindern. Stimmt das?

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Borrelia burgdorferi: Wann gilt die Infektion als chronisch?

© Sebastian Schreiter / Springer Verlag

MMW-Experte Dr. Stiefelhagen:

Von einigen, aber nicht von allen Experten wird in der Tat empfohlen, zusätzlich zur antibiotischen Therapie, insbesondere mit Makroliden, Hydroxychloroquin zu applizieren. Diese Substanz soll, ähnlich wie Resochin oder Amantadin, über eine intrazelluläre Alkalisierung die Wirksamkeit von Antibiotika, insbesondere von Makroliden verstärken. Studien, die diese Hypothese stützen, kenne ich nicht.

MMW-Experte Prof. Füeßl:

Leider gibt es auf dem Gebiet der Borreliose zahlreiche Kollegen, die wissenschaftlich nicht ausreichend fundierte Botschaften verkünden, die von entsprechenden Selbsthilfegruppen begierig aufgenommen werden. Die Empfehlung einer Kombination von Hydroxychloroquin und Doxycyclin oder Hydroxychloroquin und Minocyclin basiert auf in vitro-Beobachtungen und einer klinischen Studie aus den Jahren 2004–2006 an 160 Patienten mit angeblich „chronischer Borreliose“. Die Diagnose wurde anhand von Laboruntersuchungen mit nicht validierter diagnostischer Aussagekraft, z. B. dem LTT, gestellt. Dabei werden nicht einmal die klinischen Symptome der Patienten mitgeteilt. Nachdem die Diagnose einer Borreliose immer in Zusammenschau mit Anamnese, Klinik und Laboruntersuchungen gestellt werden muss, halte ich diese Studie nicht für vertrauenswürdig und damit auch die Empfehlung einer Kombination des Antibiotikums mit Hydroxychloroquin für nicht gerechtfertigt.

Fragen Sie sich doch einmal, warum bisher nur ein Professor am Institut für Pharmazeutische Biotechnologie der Hochschule Wädenswil diese Therapieempfehlung ausspricht und nicht ein Neurologe oder ein Rheumatologe, der doch mit viel größerer Wahrscheinlichkeit Borreliose-Patienten behandelt. In den derzeit noch gültigen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie aus dem Jahr 2008 wird die Kombination mit Hydroxychloroquin nicht einmal angesprochen.

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