Stimmstörungen bei Kindern sind keine Seltenheit. Die Häufigkeit wird mit 6–36% angegeben. Dem Krankheitsbild können funktionelle wie organische Ursachen zugrunde liegen. Wir sprachen mit dem Basler HNO-Arzt Prof. Dr. med. Dr. h.c. Joseph Sopko über diese häufig übersehene Störung.
MMW: Stimmstörungen werden oft als Erkältung fehlgedeutet. Was sind die typischen Symptome, und wie wird die Diagnose gestellt?
Sopko: Stimmstörungen äußern sich durch Heiserkeit. Allerdings ist dies kein spezifisches Symptom. Heiserkeit kann ebenso durch völlig harmlose wie auch durch ernsthafte, ja bisweilen sogar lebensbedrohliche Erkrankungen bedingt sein. Die Diagnose kann durch das Hörbare nur zu einem Teil gestellt werden. Sie muss in jedem Fall auch visualisiert werden.
MMW: Wann sollte ein HNO-Arzt hinzugezogen werden?
Sopko: Bei jeder Heiserkeit, welche länger als drei Wochen andauert, muss der HNO-Arzt konsultiert werden. Dies gilt sowohl bei Erwachsenen als auch umso mehr bei Kindern.
MMW: Welche Ursachen liegen einer Stimmstörung am häufigsten zugrunde?
Sopko: Stimmstörungen können entzündliche Ursachen haben. Sie können aber auch durch Überlastung, etwa bei Schreiknötchen, durch Mutationsstimmstörung in der Pubertät, durch chromosomale Aberrationen oder genetisch bedingt sein. Darüber hinaus können sie auch auf ernsthafte gesundheitliche Schäden wie etwa eine Papillomatose des Kehlkopfes, auf neurologische Erkrankungen wie ein „Maladie du cri du chat“-Syndrom oder sogar auf lebensbedrohliche Zustände hinweisen, etwa bei doppelseitiger angeborener Kehlkopflähmung, angeborenen Segelbildungen des Kehlkopfes, Pseudokrupp u. a.
Nicht zuletzt können psychische Belastungen auch bei Kindern zu einem vollständigen Stimmverlust führen.
MMW: Zeigen sich Alters- oder Geschlechtshäufungen?
Sopko: Bis zur Pubertät überwiegen Knaben um ein Mehrfaches gegenüber den Mädchen. Das liegt eindeutig an der Mehrbelastung der Stimme, zum Beispiel bei sportlicher Betätigung, gegenseitig ausgetragenen Kämpfen usw.
Nach der Pubertät ändert sich das, Stimmstörungen treten nun häufiger bei den Frauen auf. Stimmlippenknötchen gibt es bei Männern nur ausnahmsweise.
MMW: Warum ist es so wichtig, eine Stimmstörung früh zu erkennen?
Sopko: Der Kehlkopf ist nicht nur Stimmorgan, er ist zugleich auch die engste Stelle der oberen Luftwege. Jede pathologische Veränderung im Kehlkopf kann demzufolge nicht nur Heiserkeit, sondern auch ernsthafte gesundheitliche oder sogar lebensbedrohliche Zustände nach sich ziehen. Abgesehen davon bedeutet Heiserkeit im Kindesalter eine Minderung der normalen Leistungsfähigkeit, vergleichbar mit verminderten sportlichen oder künstlerischen Leistungen.
Heiserkeit an und für sich bedeutet schon für das Schulkind ein Handicap im Schul-, insbesondere im Gesangsunterricht. Aber auch im gesellschaftlichen Leben führt die ständige Frage nach der Heiserkeit von Seiten der Umgebung zur psychischen Frustration und zu Komplexen.
MMW: Welche Zusatzelemente sind neben einer Stimmtherapie beim Logopäden hilfreich?
Sopko: Es gehört zum therapeutischen Instrumentarium von Logopäden, nicht nur die Stimme, sondern das Kind in seiner Gesamtheit in Bezug auf seine Stimme zu behandeln. Zusätzliche Maßnahmen, etwa eine Psychotherapie, sind nur ausnahmsweise notwendig.
Interview: Dr. Christine Starostzik
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Warum krächzt das Kind?. MMW - Fortschritte der Medizin 154, 20 (2012). https://doi.org/10.1007/s15006-012-1325-3
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