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Angesichts erheblicher Impflücken bei Erwachsenen ist ein verstärktes Impfengagement geboten. So sieht es auch der Allgemeinmediziner Prof. Klaus Wahle aus Münster-Nienberge und hat eine Reihe nützlicher Tipps für ein verbessertes Impfmanagement in der Hausarztpraxis parat.
MMW: Warum gelingt es hierzulande nicht, die für einen umfassenden Schutz erforderlichen Impfraten zu erreichen?
Wahle: Das liegt an der Freiwilligkeit der Impfung und an der Tatsache, dass Impfen in den Medien häufig diskreditiert wird und sich eine negative öffentliche Stimmungslage dazu gebildet hat. In Ländern mit einer Impfpflicht z. B. sind diese Lücken längst nicht so ausgeprägt wie bei uns.
MMW: Welche Probleme bringt die Verschiebung vermeintlicher Kinderkrankheiten wie z. B. Pertussis in das Erwachsenenalter mit sich?
Wahle: Diese Rechtsverschiebung sogenannter Kinderkrankheiten in das höhere Alter beobachten wir seit einigen Jahren bei unterschiedlichen Erkrankungen. Allerdings sind die Krankheitsverläufe bei Erwachsenen meist nicht so ausgeprägt, was zu Schwierigkeiten bei der Diagnostik führen kann. Keuchhusten nimmt ja bei Kindern oft einen dramatischen Verlauf, das ist bei Erwachsenen zum Glück nicht so. Aber auch Erwachsene leiden unter der Erkrankung. Damit verbunden sind Arbeitsausfälle, weitere Komplikationen, insbesondere bei Älteren über 60 und hohe sekundäre Krankheitskosten.
MMW: Wie sehen die aktuellen Impfempfehlungen der STIKO für Erwachsene aus?
Wahle: Die STIKO empfiehlt seit 2009, alle Erwachsenen bei der nächsten fälligen Tetanus-Diphtherie-Impfung einmalig auch gegen Pertussis zu impfen und bei dieser Gelegenheit auch den Polio-Impfschutz zu überprüfen. Das gilt vor allem für jüngere Erwachsene, also potenzielle Eltern. Ungeimpfte Erwachsene sind die Hauptinfektionsquelle für Pertussis bei Neugeborenen. Kontaktpersonen von Säuglingen sollten alle zehn Jahre eine Auffrischung erhalten.
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Für die Polio-Impfung gibt es keine spezielle STIKO-Empfehlung für Erwachsene. Zu beachten ist aber, dass ein lang anhaltender Schutz gegen Polio nur dann gegeben ist, wenn drei Impfungen zur Grundimmunisierung und darüber hinaus noch eine Boosterimpfung durchgeführt wurden. Fehlt diese vierte Impfung im Impfausweis, sollte sie in jedem Fall nachgeholt werden.
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Jeder Deutsche sollte auch gegen Masern geimpft sein. Üblicherweise werden Kinder zweimal geimpft. Zeigt die Impfausweiskontrolle, dass jemand als Kind nur eine Masernimpfung erhalten hat, muss er als Erwachsener eine zweite bekommen. Hat er seinen Impfausweis verloren, d. h. liegt keine Impfdokumentation vor, bekommt er als Erwachsener ebenfalls nur eine Masernimpfung. Mit dieser einen Impfung sind die meisten dann ausreichend geschützt.
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Auch die Rötelnimpfung sollte wie die Masernimpfung im Kindesalter zweimal verabreicht werden. Frauen mit nur einer Rötelnimpfung in der Kindheit erhalten eine weitere Impfung als MMR-Kombinationsimpfung. Dies gilt insbesondere für Frauen im gebärfähigen Alter, damit eine Rötelninfektion während der Schwangerschaft vermieden wird. Sie würde zu einer Rötelnembryopathie mit Wachstumsstörungen im Mutterleib und starken Schädigungen beim Neugeborenen führen. Jede Frau sollte vor der Schwangerschaft zwei Rötelnimpfungen in ihrem Impfausweis vermerkt haben. Dies zu kontrollieren ist vor allem Aufgabe des Hausarztes, denn der Gynäkologe sieht die Frau ja oft erst, wenn die Schwangerschaft bereits eingetreten ist.
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Bei Erwachsenen ohne Impfausweis muss ein altersentsprechender Impfschutz neu aufgebaut werden, d.h. eine komplette Grundimmunisierung gegen Tetanus, Diphtherie, Polio, Pertussis und eben auch gegen Masern und ggf. Röteln. Das ist der Mindeststandard, den jeder Deutsche haben sollte.
MMW: Wie kann das Impfmanagement in der Praxis optimiert werden?
Wahle: Impfen ist unkompliziert und einfach. Daher sollte auch das Impfmanagement unkompliziert und einfach sein und die Interpretation des Impfausweises sollte großzügig durchgeführt werden. Als reine präventionsmedizinische Leistung sollte das Impfen in andere solche Maßnahmen eingebettet werden, d. h., jeder Patient, der zu einem Check-up oder einer Krebsvorsorgeuntersuchung kommt, wird gebeten, seinen Impfausweis mitzubringen.
MMW: Welchen Nutzen hat ein optimiertes Impfmanagement für die Praxis?
Wahle: Da ist zum einen der wirtschaftliche Aspekt. Das Impfen wird extrabudgetär bezahlt, egal wie viele Impfungen die Praxis durchführt. Das ist ein klarer finanzieller Anreiz. Ein konsequentes Impfmanagement schafft zudem als präventive Medizin neben der kurativen Medizin ein zweites Standbein für die Praxis und einen Imagegewinn.
Interview: Dagmar Jäger-Becker
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So schließen Sie die Lücken. MMW - Fortschritte der Medizin 154, 33 (2012). https://doi.org/10.1007/s15006-012-1063-6
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