Die Hypertonie des alten Menschen ist ein Thema, das immer wieder kontroverse Diskussionen provoziert, zumal es bis vor einigen Jahren kaum verwertbare Daten zu diesem Thema gab. „In den meisten Fällen handelt es sich um eine isolierte systolische Hypertonie als Folge der nachlassenden Elastizität der Gefäße, besonders der Windkesselfunktion der Aorta“, so Prof. Joachim Hoyer von der Nephrologischen Universitätsklinik Marburg. Problematisch ist nach seinen Worten besonders, dass bei alten Patienten die Blutdruckwerte oft stark schwanken und dass die Gabe eines Antihypertensivums zu einem zu starken Abfall des diastolischen Blutdrucks führen kann.

Argumente für eine Blutdrucksenkung

Die Frage, ob eine Blutdrucksenkung bei über 80-jährigen Patienten vorteilhaft ist, muss im Einzelfall diskutiert werden. Für eine Blutdrucksenkung spricht, dass mit zunehmendem Alter sowohl das Risiko für einen zerebralen Insult als auch für ein Aortenaneurysma und für eine Herzinsuffizienz zunimmt. Andererseits ist die Nierenfunktion vulnerabler, und es besteht ein höheres Hypotonierisiko mit Sturzgefahr.

Dass eine Blutdrucksenkung bei diesen betagten Patienten jedoch nicht nur sinnvoll, sondern auch ungefährlich ist, konnte in der HYVET-Studie gezeigt werden. Dabei handelt es sich um eine placebokontrollierte Studie, die ethisch vertretbar war, weil zu diesem Zeitpunkt noch keine offizielle Empfehlung für eine Behandlung in diesem Alter vorlag. „Mit dieser Studie konnte erstmals überzeugend dokumentiert werden, dass auch über 80-Jährige von einer Blutdrucksenkung bezüglich zerebraler und kardiovaskulärer Komplikationen und somit auch im Hinblick auf die Lebenszeit profitieren“, betonte Hoyer.

Welcher Zielblutdruck?

Nach den Ergebnissen dieser Studie wurden auch die Leitlinien dahingehend geändert, dass jetzt nicht nur die Fortführung einer bereits eingeleiteten antihypertensiven Therapie, sondern auch die Einleitung einer solchen bei betagten Patienten indiziert ist. Als Zielblutdruck wurde ein Wert < 140/90 mm Hg vorgegeben, soweit dies vertragen wird. „Für die meisten Patienten dürfte ein Zielwert unter 150 mm Hg systolisch realistisch sein“, so Hoyer. Dieser Wert sollte jedoch keinesfalls zu rasch angestrebt werden, um mögliche therapieassoziierte Komplikationen zu verhindern. „Sie haben viel Zeit, es reicht, wenn Sie den Blutdruck innerhalb eines Jahres in diesen Bereich bringen“, so die Empfehlung von Hoyer. Wichtig ist, dass der diastolische Blutdruck nicht unter 60 mmHg absinkt, um nicht die Koronarperfusion zu beeinträchtigen.

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In aller Ruhe den Zielwert anstreben!

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Welche Substanz wann?

Für die antihypertensive Therapie stehen auch bei älteren Patienten die bewährten fünf Substanzgruppen zur Verfügung, nämlich ACE-Hemmer, AT1- Blocker, Kalziumantagonisten, Betablocker und Diuretika. „Entscheidend ist nicht, womit Sie den Blutdruck senken, sondern dass Sie ihn senken“, so Hoyer. Man könne davon ausgehen, dass gerade bei betagten Patienten alle Substanzengruppen gleichwertig sind. Die Notwendigkeit für eine Differenzialtherapie ergibt sich aus den Begleiterkrankungen bzw. der Verträglichkeit. So sind ACE-Hemmer bzw. AT1-Blocker Medikamente der ersten Wahl bei Vorliegen einer Herzinsuffizienz oder eines Diabetes mellitus. Betablocker empfehlen sich bei Patienten mit tachykarden Herzrhythmusstörungen, insbesondere Vorhofflimmern und bei KHK, Kalziumantagonisten bei COPD. Ob die metabolisch ungünstigen Begleitwirkungen der Betablocker und Diuretika in dieser Altersgruppe noch relevant sind, muss bezweifelt werden.