_ Eine 60-jährige Patientin, kurzatmig, fiebrig und sichtlich geschwächt, begrüßte mich mit den heiseren Worten: „Herr Doktor, ich brauche das stärkste Antibiotikum und ein Zaubermittel, denn ich muss heute Abend unbedingt zum Bridge.“ Ich antwortete, dass ich sie gerne erst einmal untersuchen würde. Dabei konnte ich in ihrem Blick erkennen, dass sie von mir erwartet hatte, sofort ein potentes Breitbandantibiotikum, eine Kortisonstoßtherapie und einen Vitamin-Cocktail in Form einer Spritze verabreicht zu bekommen.

Bei der körperlichen Untersuchung zeigte sich eine schwere Bronchitis und Pharyngitis mit eitriger Sinusitis und Temperaturen um 39,5 °C.

Auf meine Nachfrage, was denn ursächlich für die Dringlichkeit des Bridge-Abends sei, schaute sie mich ungläubig an und entgegnete, dass sich schließlich jeden dritten Freitag im Monat mehrere Damen einige Stunden zum Kartenspiel treffen würden.

Mir war zwar auch nach dieser Aussage nicht ganz klar, warum jemand, der schwer krank und kurzatmig ist, auch nur im Entferntesten auf die Idee kommt, statt im Bett, den Abend unter rauchenden und trinkenden Kartenspielern zu verbringen.

Doch bevor ich mir weitere Gedanken machen konnte, ob die gerade eingeleitete medikamentösen Therapie durch das abendliche Treffen erheblich behindert oder der Zustand der Patientin gar verschlimmert werden würde, unterbrach die Patientin: Sie würde meine Fürsorge ja verstehen, aber sie wisse schließlich noch am besten, was ihr gut tun würde. Und mit einem guten Medikament wäre sie ja heute Abend schon fast wieder gesund.

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Wie gut, dass nicht alle meine Patienten dem Bridge-Virus erlegen sind!