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Betreibt er wirksame Diabetesprophylaxe?

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_ Wegweisende Forschungsarbeiten legen mittlerweile einen Zusammenhang zwischen Umweltgiften und Diabetesrisiko nahe, sagte Prof. Michael Roden, Direktor des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ), Düsseldorf.

Diabetogene Schadstoffe

Ganz oben auf der Fahndungsliste der Umweltforscher stehen Luftschadstoffe wie Feinstaub, Stick- und Schwefeloxide, aber auch organische Chemikalien, die sich in der Nahrungskette akkumulieren, oft eine hohe Affinität zu Fett aufweisen und z. B. über Fisch oder Milchprodukte in den Organismus gelangen. Dazu zählen Pestizidrückstände und auch Bisphenol A, der Grundbaustein von Polycarbonat, aus dem u. a. Trinkflaschen und Wasserbehälter hergestellt werden. Bis zum EU-weiten Verbot im März 2011 waren auch Babyfläschchen aus Polycarbonat im Verkehr.

Tierexperimenten zufolge können Umweltschadstoffe Mechanismen begünstigen, von denen man weiß, dass sie eine zentrale Rolle in der Diabetesentstehung spielen. So stimuliert Bisphenol A im Tierversuch — vermutlich über Östrogenrezeptoren — die Ausschüttung proinflammatorischer Zytokine wie IL-6 und TNF-α im Fettgewebe und drosselt die Bildung von Adiponektin, einem Schlüsselfaktor für die Insulinsensitivität.

Von den Bronchien ins Fettgewebe

Oxidativer Stress, Reduktion der Mitochondrienzahl, Entzündung und Dysregulation des viszeralen Fettgewebes sind die vermuteten Schaltstellen zwischen Umwelttoxinen und Diabetes. „Möglicherweise verstärken sich verschiedene Substanzen dabei gegenseitig“, vermutet Priv.-Doz. Dr. Christian Herder, DDZ.

Auch ein ungünstiges Zusammenwirken von Umweltschadstoffen mit bekannten Risikofaktoren hält Herder für wahrscheinlich. Dafür spricht eine Studie, in der Ratten sehr fettreich ernährt und randomisiert entweder in feinstaubreicher oder gefilterter Luft gehalten wurden. Die feinstaubbelasteten Tiere nahmen stärker zu, hatten höhere Nüchtern-Blutzuckerwerte, eine niedrigere Glukosetoleranz und höhere IL-6 und TNFα-Werte. Im Fettgewebe dieser Tiere fanden sich zudem größere Adipozyten und mehr Makrophagen als bei unbelasteten. Diese und ähnliche Studien lassen vermuten, dass Feinstaubpartikel im Bronchialsystem eine Entzündungskaskade anstoßen, die dann über den Blutweg auf andere Körperteile überspringt.

Diabetes aus der Luft?

Epidemiologische Querschnittsdaten aus verschiedenen Ländern zeigen eine Korrelation zwischen Luftschadstoffbelastung und Diabetesinzidenz. „Daraus allein lässt sich noch keine Kausalität ableiten“, betonte Dr. Wolfgang Rathmann, Epidemiologe am DDZ. Das Leibniz Institut für Umweltmedizinische Forschung in Düsseldorf führte in Zusammenarbeit mit dem DDZ die erste prospektive Kohortenstudie zum Thema durch. Über 1700 Frauen, die bei der Erstuntersuchung 55 Jahre alt waren und keinen Diabetes hatten, standen für die Längsschnittauswertung (1990–2006) zur Verfügung. Die Frauen, die in stark Feinstaub- und NO2-belasteten Ruhrmetropolen lebten, hatten ein um 15–42% höheres Risiko für einen Typ-2-Diabetes als Frauen aus ländlichen Regionen.

In der Nurses Health Study war das Diabetesrisiko für Frauen, die an einer dicht befahrenen Straße wohnten, um 20% erhöht. In einer Kohortenstudie mit über 57 000 Dänen gingen sowohl hohe NO2-Konzentrationen als auch die Nähe zu einer Hauptverkehrsstraße mit einem 20% höheren Diabetesrisiko einher.

„Adipositas erhöht das Risiko für einen Diabetes Typ 2 um 300%. Der Effekt der Feinstaubbelastung scheint in einer anderen Größenordnung zu liegen und bedarf außerdem der weiteren Überprüfung“, gab Rathmann zu bedenken. Sollte sich allerdings ein Effekt von etwa 20% reproduzieren lassen, sei das bei einer so häufigen und folgenschweren Erkrankung von erheblicher Bedeutung.