Die Erweiterung der Münchner AIDS-Tage um die Hepatitis war nach Ansicht des Tagungsleiters Dr. Hans Jäger überfällig und wünschenswert. Denn HIV-Therapeuten „behandeln ohnehin meist beides“. Außerdem zeichnen sich gerade bei der Hepatitis C bahnbrechende Entwicklungen ab.

Jäger zeigt sich ganz euphorisch: Neue Substanzen wie Boceprevir und Telaprevir haben eine Aufbruchsstimmung ausgelöst, dutzende weitere Präparate befinden sich in Phase 2 und 3. Vielleicht kommen die Therapie-Schemata ohne das nebenwirkungsbelastete Interferon schon früher als erwartet aus. Jäger stellte sogar die Frage, ob die Therapie der Hepatitis C schon bald so einfach, verträglich und erfolgreich sein wird, dass sie sogar von Hausärzten ohne besondere Erfahrung verordnet werden kann.

Jährlich etwa 2700 Neuinfektionen

In Sachen HIV gibt es zwar auch die große Hoffnung auf Heilungsstrategien, dennoch „gehen die Uhren seit einiger Zeit etwas langsamer“, kommentierte Jäger.

Hier die wichtigsten epidemiologischen Kennzahlen: Derzeit sind in Deutschland etwa 73 000 Menschen HIV-infiziert. Die Quote an Neuinfektionen liegt bei ca. 2700 pro Jahr, ohne dass schon ein klarer Abwärtstrend auszumachen wäre. Etwa 10% der HIV-Infizierten sind in Deutschland auch mit HCV belastet, der europäische Schnitt liegt sogar bei 30% Koinfektionen.

Die optimierten antiretroviralen Therapiemöglichkeiten werden von einem Teil der Infizierten zu spät genutzt, etwa 30% der HIV-Patienten kommen erst im fortgeschrittenen Erkrankungsstadium zum Arzt („Late Presenter“), Mathias an der Heiden, Berlin, sprach sogar von rund 50% Patienten, die die Kriterien der Spätpräsentation erfüllen (klinische AIDS-Symptomatik oder < 350 CD4-Zellen).

Perinatal infizierte Kinder werden erwachsen

Als „neue“ Patientenklientel präsentieren sich zunehmend perinatal infizierte Kinder. Denn, wie Christoph Königs, Frankfurt, feststellte: „Perinatal infizierte Kinder werden erwachsen!“ Dank der antiretroviralen Therapiemöglichkeiten kommt es bei Kindern und Jugendlichen zu einem deutlichen Rückgang der HIV-bedingten Morbidität und Mortalität.

Diese „neue“ Patientengruppe hat eine etwa 18-jährige Infektions- und Therapiegeschichte hinter sich, die natürlich Spuren hinterlassen hat, somatische (Medikamentennebenwirkungen) ebenso wie psychische (Stigmatisierung). Wie Königs ergänzte, beeinflussen die HIV-Infektion selbst und die Therapien „generell das Wachstum und die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen. Neben Körpergröße und -gewicht fallen neurokognitive Defizite auf, aber auch das Risiko für psychiatrische Erkrankungen wie Angststörungen, Aufmerksamkeitsdefizite oder Depressionen ist erhöht“.

Jetzt steht der Wechsel der HIV-Kinder in die Erwachsenenmedizin an. In Frankfurt ist eine „Transitionssprechstunde“ als Pilotprojekt angelaufen.