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© J. Bogner

_ Ein 40-jähriger Servicemitarbeiter in der Gastronomie stellte sich mit Nachtschweiß und Gewichtsverlust von 8 kg vor. Bei der körperlichen Untersuchung fand sich eine Körpertemperatur von 37,5 Grad, eine Pulsfrequenz von 92 und ein Blutdruck von 122/80 mmHg. Die Atemfrequenz war mit 14/min nicht erhöht.

Die wichtigsten Inspektionsbefunde sind auf der Abbildung links dargestellt. Die Palpation des Lymphknotenstatus war unauffällig. Bei dieser Anamnese drängt sich die weitere Frage nach eine HIV-Risikokonstellation auf. Sexuelle Kontakte mit Männern wurden bejaht. Eine medizinische Diagnostik war bislang noch nie durchgeführt worden. Was können wir ad hoc und ohne weitere Diagnostik feststellen?

Diagnose 1 ist sicher: eine orale Haarleukoplakie. Dabei handelt es sich um eine weißlich-verrukkös imponierende nicht abstreifbare Veränderung der lateralen Zungenschleimhaut. Diese Art der Leukoplakie verursacht keine Beschwerden und wird vom Betroffenen oft selbst nicht bemerkt. Pathogenetisch handelt es sich um eine EBV-Reaktivierung bei HIV-bedingtem Immundefekt. Daraus folgt Diagnose 2: HIV-Infektion mit Immundefekt (Helferzellen noch unbekannt). Diese Diagnose muss noch durch einen HIV-Test gesichert werden. Etwas weiter hinten befindet sich ein Ulkus, relativ scharf ausgestanzt. Hier bestätigte sich durch eine PCR der initiale Verdacht auf ein Zytomegalievirus-bedingtes Ulkus im Sinn einer CMV-Reaktivierung bei Immundefekt (6,5 Mio Geq CMV DNA im Mundspülwasser). Die dritte Blickdiagnose betrifft den Mundwinkel. Die hier sichtbare „Perleche“ oder „Faulecke“ zeigt uns, dass als vierte Diagnose eine Kandidose zusätzlich vorhanden ist. Unter einer Therapie mit Kaletra, Truvada, Ganciclovir und Fluconazol kam es zu einer Abheilung aller auf dem Bild gezeigten Symptome. Die rechte Abbildung zeigt den Verlauf nach drei Wochen, als das Ulkus bereits deutliche Heilungstendenz zeigte.