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Folge 70

Ärztliche Erfahrung beschränkt sich nicht auf medizinisches Fachwissen. Sie entsteht auch aus den mehr oder minder alltäglichen, heiter, ärgerlich oder nachdenklich stimmenden Erlebnissen mit Patienten, Kollegen und Mitarbeitern. Senden Sie uns Ihre Geschichte an: Brigitte.Moreano@springer.com. Für jeden veröffentlichten Text erhalten Sie bis zu 100 Euro.

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Sind die auch bio?

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_ Mit Abgabe der Praxis seit Bezug des Gnadenbrotes hat sich mein Betätigungsfeld erheblich verändert. Als Angestellter der GEMAL (Geh mal hierhin, geh mal dorthin) kann ich mich nicht mehr wie früher vor dem Einkaufen drücken und begleite jetzt gerechterweise als Packesel meine Frau auf ihren Einkaufstouren.

Als Einkaufsazubi kann ich jedoch meine medizinischen Ambitionen nicht verhehlen und stelle bei meinen Mitmenschen immer wieder Diagnosen und Differenzialdiagnosen. So stand jüngst beim Einkauf auf dem Markt ein junger Mann beim Fischhändler in der Warteschlange vor mir. Er erkundigte sich ausgiebig und umständlich nach dem Unterschied zwischen Seelachs und Lachsforelle. Ob die Lachsforelle auch Bio wäre und man sie ebenso zubereiten könne wie einen Karpfen. Meine Bewunderung für die junge Verkäuferin, die anscheinend nichts aus der Ruhe bringen konnte und die zu einer Meisterleistung an Freundlichkeit über sich hinauswuchs, stieg zunehmend. Unbeirrt ließ sich der junge Mann der Reihe nach loup der mer, Zander und anderen filetierten Fisch zeigen und sich deren Zubereitung erklären. Schließlich wendete er sich der Lachsforelle zu, für die ich mich eigentlich entschieden hatte und glaubte jetzt umdisponieren zu müssen. Dann erkundigte er sich plötzlich nach Haifischflossen.

Jetzt mischte ich mich in das Verkaufsgespräch ein und empfahl ihm freundlich die Krabben, die ganz frisch und ebenfalls Bio wären. Irritiert wendete sich der junge Mann wieder seiner oder meiner vermeintlichen Lachsforelle zu und schien nunmehr entschlossen, eine Seite kaufen zu wollen. Als er nun aber von dieser Seite nur zwei Drittel haben wollte, wendete sich das Blatt, und die Verkäuferin winkte freundlich, aber bestimmt ab. Zwischenzeitlich hatte sich eine lange und langsam murrende Schlange gebildet. Nun empfahl ich geschäftsschädigend den übernächsten Geflügelstand. Die Hühner wären wie die Eier ganz frisch. Jetzt erst machte der Zauderer kurz entschlossen Platz und trollte sich. Mich allerdings beschäftigt seither die Frage, ob sich ein Alzheimer auf diese Art und Weise bereits im jugendlichen Alter äußern kann.