Tabelle 1 Pathologische oder physiologische Infektanfälligkeit?

Erreger: Besonders typisch für einen Immundefekt sind Infektionen mit opportunistischen Keimen. Hierzu gehören z. B. Pneumonien durch Zytomegalievirus, Pneumocystis jirovecii oder Aspergillus, oder eine chronisch-mukokutane Candidiasis. Auch im Rahmen von Lebendimpfungen treten Immundefekte zutage. So fielen etwa Kinder mit Interferon-γ- oder Interleukin-12-Rezeptor-Defekten durch besonders schwere Reaktionen auf die BCG-Impfung auf, und SCID-Kinder reagierten auf die Rotavirus-Impfung mit einer chronischen Impfrotavirusenteritis.

Die häufigsten angeborenen Immundefekte wie CVID oder Agammaglobulinämie treten weniger durch die Besiedelung mit opportunistischen Keimen, sondern eher durch Atemwegsinfektionen mit bekapselten Erregern wie Streptococcus pneumoniae oder Haemophilus influenzae in Erscheinung. Aber auch Viren und Protozoen rufen typische Infektionen wie Meningitiden oder Cholezystitiden hervor. Daneben liefern bestimmte Infektionen u. a. mit Staphylococcus aureus, Neisseria meningitidis und Pseudomonas aeruginosa Hinweise auf primäre Immundefekte.

Lokalisation: Immundefekte wirken sich im gesamten Körper aus. Patienten mit Agammaglobulinämien erleiden zwar am häufigsten Atemwegserkrankungen, doch kommt es auch zu Infektionen der Haut, des Gastrointestinaltrakts, der Gelenke sowie zur Sepsis. Zudem siedeln sich die Erreger zum Teil in ungewöhnlichen Regionen an. So finden sich etwa bei Störungen der Interferon-γ-Interleukin-12-Achse Salmonellenabszesse in Lymphknoten.

Verlauf: Den besten Hinweis auf einen Immundefekt liefert der chronische Verlauf einer Infektion. Deutlich seltener zeigen sich Auffälligkeiten im Blutbild wie Lymphopenie oder Neutropenie bzw. eine Thrombozytopenie. So sollte bei der Anamnese nicht nur die Zahl der Infektionen erfragt werden, sondern auch, wie lange die Infekte jeweils bestanden haben. Da chronische Infekte Folgeschäden wie Bronchiektasen oder Nasenpolypen mit sich bringen können, sollte bei diesen Patienten ein besonderes Augenmerk auf einen Immundefekt gelegt werden. Auch wenn sich trotz Antibiotikatherapie innerhalb von zwei Monaten keine Besserung zeigt, gilt dies als Warnzeichen für einen angeborenen Immundefekt.

Intensität: Patienten mit einem angeborenen Immundefekt leiden häufiger unter schweren Infektionen wie Pneumonie, Meningitis, Sepsis oder Osteomyelitis als immunkompetente Menschen.

Summe: Infektionen sind in der breiten Bevölkerung häufiger als von Patienten oft angenommen. Eine deutsche Studie hat die durchschnittliche Anzahl von Atemwegserkrankungen pro Jahr ermittelt. Für den oberen normalen Bereich ergaben sich im Säuglingsalter 11, bei Kleinkindern 8 und bei Schulkindern 4. Insgesamt summierte sich die Krankheitsdauer bei Kindern unter acht Jahren auf durchschnittlich sechs bis acht Wochen im Jahr.