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Nebenwirkung Lippenzyanose?

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Frage von Dr. med. M. K., Internistin:

Wegen eines bislang therapieresistenten Granuloma anulare disseminatum erhielt eine Patientin bei geringem Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel eine vom Dermatologen rezeptierte Dapsonbehandlung, bei einem Körpergewicht von 56 kg Dapson fatol 100 mg/d. Schon nach drei Tagen trat eine zyanotische Verfärbung der Lippen ein, nach zwölf Tagen fiel der Hb um 2,5 g/dl auf 12 g/dl ab, mit zunehmender Belastungsdyspnoe. MethHb wurde nach sechs Tagen mit 1% sicher falsch zu niedrig bestimmt bei zuletzt deutlicher Lippenzyanose. Die Therapie wurde vom fachspezifischen Kollegen sofort beendet mit der Begründung einer nicht nur dosisabhängigen, sondern auch immunologisch bedingten Arzneimittelnebenwirkung. Ist eine immunologische Reaktion unter Dapson bekannt oder handelt es sich um eine dosisabhängige NW? Ist ein erneuter Therapieversuch mit niedriger Dosis wie etwa einschleichend erst 25, dann 2 x 25 mg/d unter engmaschigen Laborkontrollen des Hb und MethHb vertretbar?

Antwort von Prof. Dr. med. Dirk Stichtenoth, Hannover:

Eine nicht dosisabhängige Überempfindlichkeitsreaktion auf Dapson ist bekannt und wird als „Dapson-Syndrom" beschrieben: Fieber, Unwohlsein, Hautausschläge, Ikterus, Lymphdrüsenschwellung, Mononukleose, Eosinophilie, Anämie, verstärkte Methämoglobinbildung; in einzelnen Fällen Cholangitis, renale Vaskulitis und Hepatitis. Bei solchen Patienten sollte Dapson nicht, auch nicht in reduzierter Dosis, erneut angesetzt werden.

Gemäß Ihrer Fallbeschreibung lagen bei Ihrer Patientin die typischen Symptome einer Methämoglobinämie ohne o. g. Zeichen einer Überempfindlichkeitsreaktion vor. Zudem ist ein Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel bei Ihrer Patientin bekannt. Bei Patienten mit Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel ist das Risiko dosisabhängiger unerwünschter Nebenwirkungen, insbesondere einer Methämoglobinämie, deutlich erhöht. Bei solchen Patienten bedarf die Anwendung von Dapson einer besonders strengen Nutzen-Risiko-Abwägung und – bei Entscheidung zur Therapie – einer Dosisreduktion auf die Hälfte der normalen Dosis von täglich 50 bis 100 mg Dapson. Das von Ihnen geplante Vorgehen (einschleichend 25 mg Dapson/d, dann 2 x 25 mg/d unter engmaschiger Kontrolle von Hb und MethHb) entspricht somit der Dosisempfehlung zur Dapsontherapie bei Patienten mit Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel.