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Wie viele Infekte muss ein Patient haben, um als infektanfällig zu gelten, und wie lässt sich eine Infektanfälligkeit von einem Immundefekt abgrenzen? Wir fragten Dr. med. Joachim Wichmann, HNO-Arzt in Krefeld, wie er in der Praxis vorgeht.
MMW: Ein Patient kommt immer wieder wegen einer Sinusitis in Ihre Praxis. Ab wann schöpfen Sie Verdacht auf eine erhöhte Infektanfälligkeit?
Wichmann: Verdächtig sind solche Patienten, die bereits eine längere Odyssee hinter sich gebracht haben. Insbesondere dann, wenn der Patient bereits mehrere Wochen erfolglos an seinem Infekt herumlaboriert oder schon eine leitlinienkonforme Behandlung erfahren hat, ohne dass sich etwas gebessert hätte, sehe ich ihn als auffälligen Patienten und betrachte ihn ein bisschen genauer. Bei diesen Überlegungen wende ich die sogenannten ELVIS-Kriterien an (s. S. 29).
MMW: Wie häufig sind primäre Immundefekte?
Wichmann: Sie sind insgesamt sehr selten. Die Patientenorganisationen dramatisieren die Zahlen teilweise etwas. Bei meinem Patientengut kommen auf 10 000 Patienten zwei bis drei mit einem primären Immundefekt. Ich habe mehrere Patienten mit IgG-Mangel und IgG-Subklassendefekten. In den Statistiken wird für das CVID, das variable Immundefektsyndrom, eine Prävalenz von 7–10 pro 100 000 Personen angegeben. Immunglobulinmangel-Erkrankungen sind unter den primären Immundefekten sicher am häufigsten. Ich denke, im Bereich der primären Immundefekte gibt es eine große Grauzone, weil noch viel zu wenig zu diesen Erkrankungen bekannt ist oder der Blick dafür bislang nicht geschärft wurde.
MMW: Bei welchen Symptomen schöpfen Sie als HNO-Arzt den Verdacht, dass ein Immundefekt vorliegen könnte?
Wichmann: An sich unterscheiden sich Patienten mit Immundefekten nicht von normalen Rhinosinusitis-Patienten, mit der Ausnahme, dass sie eben sehr lange an ihren Infekten herumlaborieren. Sie haben schon alle möglichen Erkältungsmedikamente ausprobiert, vielleicht vom Hausarzt auch schon ein oder zwei Antibiotika erhalten und alles hat nichts gebracht. Vielleicht hat der Hausarzt auch noch ein Asthmaspray aufgeschrieben. Gerade dieses Klientel ist sehr vielschichtig, die Patienten fallen leider nicht durch besonders typische Symptome auf. Vielleicht ist folgende Aussage eines Patienten mit rezidivierenden Infekten typisch: „Sie geben mir jetzt das x-te Antibiotikum oder Kortison, aber ich weiß jetzt schon, es wird bei mir nichts bringen.“ Solche Patientenaussagen sollten den Arzt tatsächlich veranlassen, nach Auffälligkeiten zu suchen.
MMW: Wie sollte der Arzt im Fall eines Verdachts auf einen primären Immundefekt weiter vorgehen?
Wichmann: Einen Nasenabstrich sehe ich derzeit nicht als zielführend. Die Diagnostik läuft über die Blutabnahme. Ich mache ein Differenzialblutbild, bestimme die IgG-Klassen und kläre evtl. auch schon in der ersten Runde die IgG-Subklassen ab. Hat man auf diese Weise etwas herausbekommen, erfolgt die weitere Abklärung über ein Zentrum. Bei einigen Immundefekten können die genannten Untersuchungen durchaus im Normbereich liegen. Hier ist eine weiterführende Diagnostik gefragt.
MMW: Wie grenzt man einen sekundären Immundefekt ab?
Wichmann: Hier gibt es keinen Standard, man muss versuchen, über Anamnese und Ausschlussdiagnose herauszufinden, was passt und was nicht.
MMW: Wie werden Immundefekte behandelt?
Wichmann: Dies hängt davon ab, welcher Defekt vorliegt. Bei Hypo- oder Agammaglobulinämien erfolgt eine IgG-Substitution intravenös oder in kürzeren Abständen subkutan. Bei schweren Immundefekten kann auch eine Knochenmarktransplantation nötig sein. Einige Defekte erfordern eine antibiotische oder antimykotische Prophylaxe. Auch sollten ggf. vorhandene Begleiterkrankungen therapiert werden. Diese Behandlungen in einem so spezifischen Fall sind nur interdisziplinär und in Zusammenarbeit mit erfahrenen Zentren möglich.
Interview: Dr. Christine Starostzik
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Steckt ein Immundefekt dahinter?. MMW - Fortschritte der Medizin 154, 28 (2012). https://doi.org/10.1007/s15006-012-0354-2
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