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Multiple Hundebisse an der Hand.

© Marazzi/spl/agentur focus

_ Etwa 90% aller Bissverletzungen gehen von Hunden aus. Wie Priv.-Doz. Dr. Dieter Hassler, Infektiologe an der Universität Heidelberg, ausführte, sind etwa 85% der Hundebisswunden bakteriell kontaminiert. In 20–50% der Fälle führt dies zu einer Wundinfektion. Nach Katzen- oder Menschenbissen entwickeln sich sogar in über 50% der Fälle Infektionen.

Bevor es Antibiotika gab, wurden nach Bissverletzungen in 10% der Fälle Amputationen erforderlich; nicht selten verliefen diese Infektionen tödlich.

Mikroben im Maul von Hund und Katze

Von den Mikroben im Hundemaul spielen v. a. Capnocytophaga canimorsus und Pasteurella multocida eine Rolle. Von Purpura fulminans über Gangrän bis hin zu Septikämie, Endokarditis, Osteomyelitis und Meningitis können diese Keime bedrohliche Infektionen hervorrufen.

P. multocida ist auch im Katzenmaul der dominierende Keim. Wegen der langen Eckzähne der Katzen gehen deren Bisse meist in tiefere Gewebeschichten, ohne dass dies äußerlich sichtbar wäre. Deshalb rufen Katzenbisse oft sehr schwere Infektionen hervor. Zusätzlich spielt bei der Katze Bartonella henselae eine Rolle, der Erreger der Katzenkratzkrankheit. Während diese bei Immunkompetenten selbstlimitierend ist, können bei Patienten mit Immunschwäche schwere systemische Infektionen mit Leber- und Milzabszessen, Endokarditiden und septische Komplikationen auftreten.

Katzen und Hunde in Indien, Pakistan, Iran oder China sind auch häufig Überträger des Rabiesvirus. Wer als Rucksacktourist in ländliche Regionen dieser Staaten reisen will, sollte sich vorher gegen Tollwut impfen lassen.

Manchmal ist der Täter gleichzeitig das Opfer

Bei Menschenbissen spielt Eikenella corrodens, ein Bestandteil der physiologischen Mundflora, die wichtigste Rolle. Auch Hepatitisviren können auf diesem ungewöhnlichen Weg übertragen werden.

Nicht nur wer von einem Menschen gebissen wird, kann eine gefährliche Wundinfektion davontragen, sondern auch wer einem Gegner einen Faustschlag ins Gesicht versetzt und dabei dessen Zähne trifft (fight-bite). Dabei werden oft Gelenkkapseln lädiert. „Eine Wundinfektion, die sich nach einer solchen Attacke entwickelt, ist ein infektiologischer Notfall“, so Hassler.

Infizierte Bisswunden sind deshalb so problematisch, weil es sich meist um Mischinfektionen handelt und oft Anaerobier beteiligt sind, da sich die Infektion auch in der Tiefe abspielt. Auch wenn man zunächst nur eine Bagatellwunde sieht, kann die Verletzung tief reichen. Eine Infektion kann nach einiger Latenz in der Tiefe zu „blühen“ anfangen. Deshalb sollte man jeden Patienten für den nächsten Tag nochmals einbestellen.

Débridement und Antibiotika

Die Therapie beginnt mit einem großzügigen chirurgischen Débridement. Bestehen Zweifel, ob eine Infektion vorliegt, sollte die Wunde nicht verschlossen werden. Bei ersten Anzeichen einer Infektion muss eine antibiotische Therapie erfolgen, die gegen Anaerobier wirksam ist. „Geben Sie lieber einmal zu viel ein Breitbandantibiotikum als einmal zu wenig“, riet Hassler. Standardsubstanz ist Amoxicillin-Clavulansäure. Auch Clindamycin und Levofloxacin kommen in Betracht. Allerdings eignet sich Clindamycin nicht beim Menschenbiss, weil Eikenella corrodens resistent dagegen ist.