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Leser der MMW können sich mit allen Fragen zur Abrechnung und Praxisführung an Helmut Walbert, Facharzt für Allgemeinmedizin, Würzburg, wenden. Sie erreichen ihn jeden Donnerstag von 13 bis 15 Uhr unter der kostenlosen Rufnummer (0800) 2 37 98 30 oder per E-Mail: w@lbert.info.

Helmut Walbert Allgemeinarzt, Medizinjournalist und Betriebswirt Medizin

Dr. med. D. S., Facharzt für Innere Medizin, Bielefeld:

Meine KV Westfalen-Lippe bestreitet, dass die GOP 01 440, Verweilen im Notfalldienst, abrechenbar ist und hat mir dazu den Kommentar Wezel / Liebold geschickt. Dort heißt es: „Für ein untätiges Verweilen nachts, samstags, sonn- und feiertags gibt es keinen gesonderten Zuschlag.“ Mein Praxis-Software-Programm lässt neben den GOP 01 210, 01 211 und 01 411 die GOP 01 440 zu. Andererseits lässt das Praxisprogramm „im Behandlungsfall“ neben den Versichertenpauschalen die Abrechnung nicht zu. Ich wäre um eine Kommentierung sehr dankbar.

Antwort: Der offizielle Text der GOP lautet: „Verweilen außerhalb der Praxis ohne Erbringung weiterer berechnungsfähiger GOP, wegen der Erkrankung erforderlich; je vollendete 30 Minuten 24,36 €. Die GOP 01 440 ist im Zusammenhang mit der Erbringung von Leistungen in der Praxis nicht berechnungsfähig.“

Dieser Original-Gebührenordnungs-Text ist erst einmal die Grundlage für weitere Überlegungen. Weitere Einschränkungen als „außerhalb der Praxis“ finden sich im Anhang nur für die GOP 01 416, „Begleitung eines Kranken durch den behandelnden Arzt beim Transport zur unmittelbar notwendigen stationären Behandlung; je vollendete 10 Minuten, 8,94 €“, sowie für Anästhesisten, Gynäkologen und postoperative Leistungen.

Der Text schließt ein Ansetzen für Verweilen während der Praxis ganz klar aus. Damit bleibt die GOP 01 440 für das Verweilen für Untätigsein beim Patienten außerhalb der Praxis. Typischerweise treten solche Situationen außerhalb der „Tageszeit“ also nach 19 Uhr auf. Denn während des Tages versuchen wir doch, die Patienten möglichst in die Praxis zu bitten und dort zu behandeln.

Gebührenordnungsexperten auf dem Honorarverweigerungstrip

Wenn ein angesehener Kommentar wie Wezel / Liebold zu einer Interpretation kommt, die aus dem Text nicht ersichtlich und begründbar ist, kann man dies zur Kenntnis nehmen, rechtlich aber hat dies zunächst keine Grundlage. Dass in manchen Kassenärztlichen Vereinigungen Justitiare und „Gebührenordnungsexperten“ diese einschränkende Kommentierung nicht hinterfragen sondern auf dem Honorarverweigerungstrip sind, kommt erschwerend hinzu. Unter dieser Idee der Honorarbeschränkung zitiert man dann gern einen angesehenen Kommentar und macht ihn zur Richtschnur der Honorarverweigerung.

Offensichtlich in dieser Tendenz werden auch von Wezel / Liebold gerne Uralt-Urteile aus der Vorära des heutigen EBM zitiert. Diesen Urteilen fehlt logischerweise die Berücksichtigung der betriebswirtschaftlichen Grundlage der Berechnung der einzelnen Leistung im derzeitigen EBM. Dies sollte beim Zitieren einschränkender Urteile von den KVen kritischer berücksichtigt werden.

Betrachtet man ernsthaft die wirtschaftliche Seite des Verweilens mit Berücksichtigung der Vergütung ärztlicher Zeit mit einem Stundensatz von 48,72 € brutto für Zeitleistungen außerhalb der Praxis, so kann der Kommentar nur lauten: „Vergessen wir die Existenz dieser GOP. Bei Gallenkoliken, Nierenkoliken, Asthmaanfällen, Krupphusten und gleich gelagerten Fällen nicht zuwarten, ob der gewünschte Erfolg eintritt, sondern großzügig stationär einweisen und die ohnehin eng begrenzte Freizeit genießen, die allemal 50 EURO wert ist.“

Widerspruch einlegen!

Andererseits empfehle ich, Widerspruch gegen die Kürzung bzw. die sachliche und rechnerische Richtigstellung einzulegen und mit einem erfahrenen Anwalt die Instanzen zu durchlaufen. In diesem Fall kommt es hier allerdings sehr auf die entsprechende Argumentation an. Denn: Richter sind selten ausreichend detailkundig und folgen dann gerne der ihnen logischer erscheinenden Argumentationskette.

Grundsätzlich wäre allerdings erst einmal der Gebührenordnungsausschuss der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gefragt, denn die Interpretation einer Gebührenordnungsposition ist in erster Linie Aufgabe der Väter des EBM und nicht der Gerichte. In dieser Hinsicht wäre es nicht das erste Mal, dass auch der geschätzte Kommentar Wezel / Liebold eine Korrektur erfahren und einarbeiten müsste.