_ Stürze sind bei über 75-Jährigen die häufigste verletzungsbedingte Todesursache; etwa 10% aller Notfalleinsätze bei Senioren erfolgen wegen eines Sturzes. Stand- und Gangunsicherheit, Schwierigkeiten beim Aufstehen, Dranginkontinenz und Nykturie zählen zu den wichtigsten Risikofaktoren für Stürze. Dazu kommen Sehschwierigkeiten, kognitive Defizite und die Einnahme sedierender Medikamente.

Nicht warten, bis sich Stürze häufen!

„Ältere Patienten sollten immer gefragt werden, ob sie den Eindruck haben, schlechter gehen zu können als vor einem Jahr“, riet Priv.-Doz. Dr. Clemens Becker, Stuttgart. Spätestens, wenn jemand zum zweiten Mal stürzt, sollten Geh- und Stehfähigkeit, Kraft der unteren Extremität sowie kardiovaskuläre und neurologische Risikofaktoren eingehend untersucht werden. Auch eine Medikamentenanamnese gehört dazu.

Ein erhöhtes Sturzrisiko sollte durch spezielle Trainingsprogramme und Anpassung der häuslichen Umgebung sowie Medikation verringert werden. „Vor allem der Rat des Arztes zu Training ist Motivation für Patienten“, so Becker.

Erste Erfolge nach wenigen Wochen

Kraft, Schnelligkeit und Steh- sowie Gehfähigkeit verbessern sich durch geeignetes Training schon innerhalb von acht bis zwölf Wochen. Effekte auf Ausdauer, Schwindel und posturale Hypotension sind nach 12–36 Wochen erkennbar. Bis die Sturzangst abnimmt und das Selbstvertrauen steigt, dauert es ein halbes bis ein ganzes Jahr. Knochenmasse und -qualität bessern sich erst nach einem Jahr.

Erfolgreiche Programme

Mit regelmäßigem Tai-Chi-Training wurden bei älteren, nicht hilfsbedürftigen Menschen gute Erfahrungen gemacht. Die Senioren kommen zweimal wöchentlich zum Training zusammen und werden darüber hinaus angehalten, täglich selbst zu Hause zu üben. Damit konnte das Sturzrisiko in vier Monaten halbiert werden. Auch das in Neuseeland entwickelte Otago-Programm, bei dem Physiotherapeuten dreimal wöchentlich mit Senioren zu Hause ein progressives Kraft- und Balancetraining durchführen und sie zum weiteren eigenständigen Training anleiten, konnte das Sturzrisiko um 30% senken.

Ein Training sollte besser sechs als drei Monate dauern und mindestens zweimal wöchentlich stattfinden. Die Intensität muss moderat bis hoch sein. Ein Krafttraining sollte daher progressiv gestaltet werden. Bei einem reinen, intensiven Gehtraining in der Risikogruppe von Frauen über 65 Jahren mit Unterarmfraktur konnte zwar die Ausdauer verbessert werden, das Sturzrisiko erhöhte sich aber. Am Anfang sollten daher Kraft- und Balancetraining stehen.

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Hier werden Jugenderinnerun gen wach: Balancetraining mit Hula Hoop.

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Zusatzeffekt auf Demenzentwicklung

Wie Dr. Martin Willkomm, Lübeck, ausführte, dient regelmäßige körperliche Aktivität auch dazu, den kognitiven Abbau zu bremsen. Dies gilt auch, wenn man erst in einem Alter über 80 Jahren damit beginnt! Dabei kommt es nicht auf die Sportart an, sondern darauf, dass eine — auch wenig intensive — Aktivität häufig stattfindet. „Dual tasking“-Programme haben dabei einen erstaunlichen Zusatzeffekt auf die Demenzentwicklung über das reine Training hinaus. Darunter versteht man z. B. ein Gehtraining, bei dem der Patient gleichzeitig alle Tiere aufzählen soll, die er kennt — und zwar ohne deswegen langsamer zu gehen.