_ In einer kalten, nebeligen Novembernacht gegen 1:00 Uhr morgens rief ein Mann an und berichtete, seine 21-jährige Freundin habe starke Brustschmerzen, würde sich vor Schmerzen krümmen und sei sehr blass. Angesichts der Wetterverhältnisse, bei denen man keinen Hund vor die Tür jagen möchte, versuchte ich zu „verhandeln“ und den Casus anamnestisch möglichst niedrig zu halten. Der Mann sprach aber von Ausstrahlung der Schmerzen in den linken Arm und es fiel das fatale Wort vom Herzinfarkt. Also machte ich mich auf den Weg durch die Nebelnacht.

Erst nach längerer Suche fand ich den nur spärlich beleuchteten Wohnblock. Ein junger Mann öffnete mir etwas verlegen die Wohnungstür und führte mich ins Schlafzimmer. Dort saß ein sehr leicht bekleidetes junges Mädchen, das mir ziemlich fröhlich versicherte, das mit den Schmerzen sei doch gar nicht so schlimm. Wenn sie den linken Arm ruhig halte, habe sie überhaupt keine Schmerzen.

Meine Frage, wie lange die Beschwerden schon bestünden, wurde dahingehend beantwortet, dass sie erst vor einer Stunden aufgetreten seien. Mit einem viel sagenden Lächeln erklärte mir die Dame, vielleicht sei ihr Freund ja etwas zu heftig gewesen. Mich befielen leise Zweifel, ob es wirklich die richtige Berufswahl war, Arzt zu werden.