Soll der mechanischen Thrombektomie bei Schlaganfällen großer Gefäße eine i.v.-Thrombolyse vorgeschaltet werden? Das Konsortium IRIS stellte nun Ergebnisse einer Metaanalyse vor, die die individuellen Datensätze aus allen sechs randomisiert-kontrollierten Studien zu dieser Fragestellung einschloss.

Die bisherigen randomisiert-kontrollierten Studien zur endovaskulären Therapie von Ischämien aufgrund von Verschlüssen großer Gefäße der vorderen Zirkulation deuten darauf hin, dass durch eine Kombination der mechanischen Thrombektomie mit einer vorausgehenden i.v.-Lyse im Vergleich zur alleinigen Thrombektomie zwar eine höhere Reperfusionsrate erzielt wird, diese aber auch eine höhere Blutungsrate nach sich zieht. Hinsichtlich funktioneller Outcomes verfehlten die bisherigen Metaanalysen nur dann den Nichtunterlegenheitsnachweis für die direkte mechanische Thrombektomie, wenn die Nichtunterlegenheitsgrenzen sehr eng und somit in einer fraglich klinisch relevanten Größenordnung gewählt wurden [Fischer U. ESOC 2021; Vortrag PO0006B, #2103; Podlasek A et al. Int J Stroke. 2021;16:621-31; Cuadra-Campos MDC et al. World Neurosurg X. 2023;21:100250].

Keine Unterlegenheit in der Gesamtpopulation

PD Dr. Johannes Kaesmacher, Neurologie, Inselspital, Universität Bern, Schweiz, präsentierte die Ergebnisse einer Metaanalyse des Konsortiums IRIS (Improving Reperfusion Strategies in Ischemic Stroke), basierend auf den individuellen Daten aller 2.313 Schlaganfallbetroffenen, die im Rahmen der sechs zu dieser Fragestellung verfügbaren randomisiert-kontrollierten Studien behandelt wurden. Der mediane Wert auf der modified Rankin Scale (mRS) 90 Tage nach Behandlung lag in der Gruppe, in der nur endovaskulär thrombektomiert worden war, bei 3 (Interquartilsabstand [IQR] 1-5) und bei den kombiniert mit Lyse und nachfolgender Thrombektomie Behandelten bei 2 (IQR 1-4). Die adjustierte Odds Ratio (acOR) für ein verbessertes Outcome unter der Kombinationsbehandlung im Vergleich zur alleinigen Thrombektomie betrug 0,89 (95 %-Konfidenzintervall [KI] 0,76-1,04). Das Risiko für intrakranielle Blutungen war in der Kombinationsgruppe höher als bei den ohne Lyse Behandelten (acOR 0,82; 95 %-KI 0,68-0,99). Bei den symptomatischeen intrakraniellen Blutungen und der Mortalität zeigten sich keine signifikanten Unterschiede [Majoie CB et al. Lancet. 2023;402:965-74]. Kaesmacher betonte, man habe in der Metaanalyse die vordefinierte Nichtunterlegenheitsgrenze von 5 % nicht überschritten. Somit könne man für die Gesamtpopulation trotz der nominalen Differenz der mRS-Mediane keine Überlegenheit der Kombinationstherapie ableiten.

Dass die Metaanalyse auf individuellen Datensätzen basierte, ermöglichte eine besonders trennscharfe Auswertung nach Subgruppen. Diese zeigte laut Kaesmacher, dass die Kombination von Lyse und Thrombektomie mit einem besseren Outcome einherging als die alleinige Thrombektomie, wenn der erwartete Lysezeitpunkt nicht mehr als zwei Stunden und 20 Minuten nach Beginn des Schlaganfalls lag. Der Punktschätzwert unterschritt bei drei Stunden 14 Minuten die 0, das heißt, für darüber hinausgehende Verzögerungen errechnete sich ein Vorteil der alleinigen Thrombektomie im Vergleich zur Kombination [Kaesmacher J et al. JAMA. 2024:e240589]. Eine weitere Subgruppenanalyse zeigte Kaesmacher zufolge, dass Tandemläsionen und Stentanlagen in der vorderen Zirkulation nicht per se für oder gegen eine zusätzliche i.v.-Lyse sprechen, sondern dass auch hier nur der Therapiezeitpunkt für das funktionelle Outcome relevant sei.,

Arbeitstagung Neuro-Intensivmedizin (ANIM) 2024, Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neuro-Intensiv- und Notfallmedizin (DGNI) und der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG), 1.-3.2.2024, Kassel. Session: „Gerinnungsmanagement: Neues für den Neuro-Notfall”; Kaesmacher J. Vortrag: „Periprozedurales Gerinnungsmanagment bei der Thrombektomie - alle Fragen gelöst?”