Menschen, die kardiopulmonal reanimiert wurden und danach komatös sind, haben nicht immer eine schwere hypoxisch-ischämische Enzephalopathie und somit eine infauste neurologische Prognose. Die folgenschwere Diagnose erfordert daher große Sorgfalt und sollte nicht zu früh gestellt werden.

Die Prognosestellung bei Bewusstseinsstörung nach Herzstillstand und Reanimation sollte laut PD Dr. Christoph Leithner, Neurologie, Charité Universitätsmedizin, Berlin, frühestens 72 Stunden nach dem Ereignis und die Prognosediagnostik immer multimodal erfolgen. Relevante prognostische Kriterien sind

  • lichtstarre Pupillen,

  • neuronenspezifische Enolase (NSE) > 90 ng/ml,

  • somatosensibel evozierte Potenziale N20 beidseitig fehlend,

  • hochmalignes EEG sowie

  • Zeichen einer schweren hypoxisch-ischämischen Enzephalopathie in der kraniellen CT oder MRT.

Von diesen Kriterien sind gemäß aktueller Leitlinien so viele wie möglich zu bestimmen [DGN 2023, AWMF-Leitlinie Nr. 030-119; awmf.org]. Dabei gelte es, so Leithner, potenzielle Störfaktoren zu beachten, etwa die Atropingabe im Rahmen einer augenärztlichen Untersuchung, die lichtstarre Pupillen nach sich zieht. Für die Diagnose „infauste Prognose“ und die daraus folgende Empfehlung einer Therapiebegrenzung müssen mindestens drei der Kriterien erfüllt sein. Dabei ist laut Leithner eine hohe Interrater-Variabilität zu beachten. Das unterstreiche, wie wichtig es ist, standardisierte Prozeduren zur Prognosediagnostik nach Herzstillstand zu evaluieren.

Hohe Spezifität bei standardisierter CT-Befundung

Eine internationale Arbeitsgruppe, der auch Leithner und weitere Ärztinnen und Ärzte der Charité angehören, erarbeitete Standard Operating Procedures (SOP) für die qualitative und quantitative Prognose des funktionellen Outcomes nach vorübergehendem Herzstillstand anhand kranieller CT-Untersuchungen. Die Forschenden evaluierten diese SOP prospektiv in einer Substudie der TTM2-Studie. Eingeschlossen wurden 140 Personen, die 48 Stunden nach Reanimation noch bewusstlos waren. Die SOP-geleitete Befundung der CT-Bilder erfolgte Rater-verblindet. Leithner berichtete, ein schlechtes Outcome habe man mithilfe dieser Methode mit einer Sensitivität von 40 % und einer Spezifität von 100 % prognostizieren können.

NfL < 55 schließt schwere Schädigung aus

Einen vielversprechenden Biomarker nach Herzstillstand sieht Leithner auch in der Serumkonzentration von Neurofilament-Leichtketten (NfL). So könne man bei einem NfL-Wert < 55 pg/ml eine schwere Hirnschädigung praktisch ausschließen. Eine Substudie der TTM-Studie zeigte eine 67 %-ige Sensitivität und eine 99 %-ige Spezifität der Methode bei der Prognose eines schlechten neurologischen Outcomes [Moseby-Knappe M et al. JAMA Neurol. 2019;76:64-71].,

Arbeitstagung Neuro-Intensivmedizin (ANIM) 2024, Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neuro-Intensiv- und Notfallmedizin (DGNI) und der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG), 1.-3.2.2024, Kassel. Session: „Akute schwere Bewusstseinsstörung - vom initialen Work-Up zur evidenzbasierten frührehabilitativen Therapie”, Leithner C. Vortrag: „Prognostische Diagnostik nach Herzstillstand und Reanimation”