Mit der ICD-11 hält in den nächsten Jahren eine neue ICD-Klassifikation Einzug in das deutsche Gesundheitswesen. Sie löst die noch aus den vordigitalen 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts stammende ICD-10 ab. Gemäß WHO ist die ICD-11 seit Anfang 2022 gültig.

Der weltweite Rollout solcher Klassifikationen dauert jedoch typischerweise mehrere Jahre. Die Übersetzung ins Deutsche werde bis Ende 2023 weitgehend abgeschlossen sein, berichtete Prof. Dr. Karl Broich, der als Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für die Einführung der ICD-11 in Deutschland zuständig ist.

Was sich durch die neue Klassifikation ändern soll, wurde beim 22. Deutschen Kongress für Versorgungsforschung in Berlin diskutiert. Eine Besonderheit sind zwei komplett neue Kapitel, nämlich Kapitel 7 „Schlaf-Wach-Störungen“ und Kapitel 17 „Bedingungen im Zusammenhang mit sexueller Gesundheit“. Beide Erkrankungsgruppen waren bisher bei den psychischen und Verhaltensstörungen untergebracht, also bei den „F-Diagnosen“. Prof. Dr. Christoph Schöbel, Leiter des Zentrums für Schlaf- und Telemedizin, Universitätsmedizin Essen, nannte beispielhaft die chronische Insomnie, an der in Deutschland etwa sechs Millionen Menschen leiden [Heidbreder A. InFo Neurologie + Psychiatrie. 2023; 25(5):38-49]. Sie kann bisher nur als F51.0 kodiert werden. Das werde aber nur selten gemacht, auch um die Patientinnen und Patienten nicht zu stigmatisieren. Entsprechend unterrepräsentiert sei die Erkrankung in der Versorgungsforschung. Das dürfte sich durch die ICD-11 ändern.

Und auch in Sachen Therapie bedeutet die neue Klassifikation einen Fortschritt: „Wir können künftig Schlafstörungen richtig kodieren, damit werden wir auch besser Therapien einleiten können“, erläuterte Schöbel bei der von Idorsia, Hersteller von Daridorexant (Quviviq®), unterstützten Veranstaltung.

Entscheidend für den Erfolg der ICD-11-Einführung in Deutschland dürfte deren Umsetzung am Point-of-Care sein, darin waren sich alle Diskutanten in Berlin einig. Nur wenn Anwenderinnen und Anwender umfassend digital unterstützt würden, könne es gelingen, das Potenzial auszuschöpfen, die die ICD-11 in Sachen besserer Datenqualität bietet. Gelingt die digitale Umsetzung nicht, könne die ICD-11 auch zu einem „Albtraum der Dokumentation“ werden, warnte Dr. Johanna Callhoff vom Deutschen Rheumaforschungszentrum in Berlin.

Symposium „ICD-11 als Chance für ein nachhaltiges Gesundheitssystem“, anlässlich des 22. Deutschen Kongresses für Versorgungsforschung, 6.10.2023, Berlin; Veranstalter: Idorsia