Fragestellung: Wann kann die Therapie mit einem Thrombozytenaggregationshemmer nach einer intrazerebralen Blutung (ICH) wieder aufgenommen werden?

Hintergrund: Die Sekundärprävention vieler ischämischer Ereignisse, zum Beispiel des ischämischen Schlaganfalls, erfolgt mit Thrombozytenfunktionshemmern. Eine mögliche Komplikation sind ICH. Der geeignete Zeitpunkt für die Wiederaufnahme der Plättchenhemmung nach einem solchen Ereignis ist allerdings nicht endgültig geklärt. Ziel der vorliegenden Studie war es daher, die Risiken schwerer Blutungen zwischen einer frühen und einer späten Wiederaufnahme der Plättchenhemmung nach ICH zu vergleichen.

Patienten und Methodik: Zwischen 2008 und 2017 wurden Patienten mit ICH unter antithrombotischer Therapie in der National Health Insurance Research Database in Taiwan erfasst. 1.584 Patienten wurden anhand des Zeitpunkts der Wiederaufnahme der Thrombozytenaggregationshemmer in eine Gruppe mit früher (≤ 30 Tage) und eine mit später (31-365 Tage) Therapiewiederaufnahme nach dem Indexereignis eingeteilt. Die Teilnehmenden wurden entweder bis zum Auftreten eines klinischen Endpunktes, bis zum Ende der einjährigen Nachbeobachtung, bis zum Tod oder bis Dezember 2018 beobachtet.

Der primäre Endpunkt war eine erneute ICH. Die sekundären Endpunkte umfassten Gesamtmortalität, schwerwiegende Blutungskomplikationen, schwerwiegende ischämische Ereignisse und ischämische Schlaganfälle. Für den Gruppenvergleich wurde ein Cox-Proportional-Hazard-Modell nach Propensity Matching verwendet.

Ergebnisse: Die Gesamtpopulation umfasste 92.590 Patienten mit ICH. Nach Überprüfung der Ein- und Ausschlusskriterien wurden 843 Patienten in die frühe und 741 in die späte Behandlungsgruppe eingeschlossen. Beide Gruppen hatten ein ähnliches Risiko, innerhalb von einem Jahr eine erneute ICH zu erleiden (früh vs. spät: 3,12 % versus 3,27 %; Hazard Ratio [HR] 0,967; 95 %-Konfidenzintervall [KI] 0,522-1,791). Für die sekundären Endpunkte waren die Ergebnisse ähnlich.

Subgruppenanalysen zeigten, dass eine frühe Wiederaufnahme der Plätttchenhemmung bei Patienten ohne vorherige zerebrovaskuläre Erkrankung mit einem geringeren Risiko für Gesamtmortalität (HR 0,199; 95 %-KI 0,054-0,739) und häufigeren schwerwiegenden Blutungskomplikationen einherging (HR 0,090; 95 %-KI 0,010-0,797). Bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung war der frühe Neustart der Thrombozytenaggregationshemmung mit einem geringeren Risiko eines ischämischen Schlaganfalls assoziiert (HR 0,065; 95 %-KI 0,012-0,364).

Schlussfolgerungen: Die frühzeitige Wiederaufnahme der Behandlung mit einem Thrombozytenaggregationshemmer nach ICH war bei Patienten nach intrazerebraler Blutung ebenso sicher wie die verzögerte Wiederaufnahme der Therapie. Patienten ohne vorherige zerebrovaskuläre Erkrankung oder solche mit einer chronischen Nierenerkrankung profitieren eventuell eher von einer frühen Wiederaufnahme der Thrombozytenaggregationshemmer.

Liu CH, Wu YL, Hsu CC, Lee TH. Early antiplatelet resumption and the risks of major bleeding after intracerebral hemorrhage. Stroke. 2023; 54: 537-45