Ob Standard, Tango oder Freestyle: Tanzen wirkt wie ein Parkinsonmedikament. Die Effekte auf Gleichgewicht, Gehen, Behinderungsgrad und Lebensqualität sind auf mittlerem Evidenzlevel belegt.

"Den Moment, in dem die Musik ertönt, erleben manche Parkinsonkranken, als ob ihnen eine voll geladene Batterie einlegt würde", weiß Prof. Lisbeth Frølunde, Fachbereich Kunst und Kommunikation, Universität Roskilde, Dänemark. Wo gerade noch Rigor, Freezing und Angst vor Stürzen wie Klötze an den Beinen hingen, kommt auf einmal Freude und Leichtigkeit ins Spiel. Tatsächlich fallen den Betroffenen Bewegungen im Rhythmus der Musik leichter. Das sei, so Frølunde, mittlerweile durch Studien von hoher Qualität belegt. Dazu kommen positive Effekte auf Gleichgewicht, Kraft und Schnelligkeit, die über zwei Tage anhalten können. Laut Prof. Meg E. Morris, Universität Melbourne und Victorian Rehabilitation Centre Glen Waverley, Australien, verbessert Tanz bei Parkinsonbetroffenen auch Sprech- und Schluckfunktionen, Alltagskompetenz und Sozialkontakte. "Viele blühen geradezu auf und erleben mehr Lebensqualität", berichtete Morris aus ihrer langjährigen Erfahrung mit Parkinsonbetroffenen, die sie für das Tanzen begeistern konnte. Auch Singen oder bereits das Imaginieren von Musik können beim Gehen und anderen Bewegungsabläufen helfen.

Eine systematische Metaanalyse randomisiert kontrollierter Studien bestätigte mit moderatem Evidenzlevel die Wirksamkeit von Tanz bei Parkinsonerkrankten auf Gleichgewicht, Gehen, Lebensqualität und Behinderungsgrad. Ein Teil der berücksichtigten Studien wurde während COVID-19-bedingten Lockdowns durchgeführt und verwendete digitale Formen der Tanzanimation. Auch von diesen profitierten die Teilnehmenden [Emmanouilidis S et al. Parkinsons Dis. 2021;2021:7516504].

In elegantem Schwung an den Basalganglien vorbei

Bildgebungsstudien deuten Morris zufolge darauf hin, dass Tanzen über verschiedene Wege die Neuroplastizität fördert. Dazu trage die Aktivierung kreativer Fähigkeiten bei sowie die positiven Emotionen, die mit dem Tanzen in Gesellschaft einhergehen. Dazu kämen, so Morris, die besonders gut belegten positiven Effekte körperlicher Aktivität auf die Gehirndurchblutung, die kortikale Reorganisation, die Ausschüttung neurotroper Faktoren wie des Brain Derived Growth Factor (BNDF) und adaptive Mechanismen auf dopaminerger und glutamaterger Ebene. Offenbar begünstige das Tanzen zur Musik und die dazu erforderliche Aufmerksamkeit auf rhythmische Einsatzsignale die Konnektivität zwischen frontalen Hirnregionen auf der einen und Bewegungs-, Balance- und Haltemechanismen auf der anderen Seite, und zwar unter Umgehung der funktionell beeinträchtigten Basalganglien.

Auch das gewisse Prickeln spielt mit...

"Parkinsonbetroffene brauchen hoch dosierte Körperaktivität", betonte Morris. Weil die Freude an der Bewegung essenziell ist, sollten sie, so die Expertin, dabei aus unterschiedlichen Angeboten auswählen können, möglichst auch aus verschiedenen Tanz- und Musikstilen.

Besonders bei älteren Menschen noch häufig tabuisiert, aber laut Frølunde ein zweifellos vitalisierender Aspekt des Paartanzes ist die Erotik. Sie habe so manches Paar erlebt, das sich mit dem Tanzen wieder nähergekommen ist und sich über eine Wiederbelebung ihres Sexuallebens freute.

Session "Movement Disorders in Musicians and Dancers and The Effect of Music and Dance on Patients with Movement Disorders"; International Congress of Parkinson's Disease and Movement Disorders 2023, Kopenhagen, 27.-31.8.2023