Negative Kindheitserfahrungen hinterlassen Spuren im Gehirn. Bildgebungsstudien weisen darauf hin, dass etablierte Therapien bei psychischen Störungen diesen ungünstigen Effekten entgegenwirken, und zwar jede Therapie auf ihre eigene Weise.

Belastende Erlebnisse in der Kindheit zählen zu den einflussreichsten ätiologischen Faktoren bei der Entstehung psychischer Störungen. Dank neurowissenschaftlicher Studien, besonders mithilfe der Bildgebung, wisse man, so Prof. Christopher Miller, Psychiatrie, University of Maryland, Baltimore, USA, immer mehr darüber, wie solche kindlichen Stresserfahrungen sich auf die Funktion und Struktur bestimmter Gehirnareale und -Netzwerke auswirken. Beispielsweise habe eine Bildgebungsstudie an 72 Kindern im Alter von fünf bis zehn Jahren bestätigt, dass die Kinder, die Bedrohliches erlebt hatten, eine reduzierte kortikale Dicke, unter anderem im Präfrontalkortex (PFC) aufwiesen. Erfahrungen von Deprivation und Vernachlässigung wiederum gingen mit einer erhöhten kortikalen Dicke unter anderem in der Inselregion einher [Machlin L et al. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry. 2023; Epub ahead of print].

Elterngehirn prägt Kindergehirn

Neuere Studien hätten, so Miller, unter anderem bestätigt, dass Eltern sowohl in förderlichen als auch in problematischen Milieus über die eigenen zerebralen Aktivierungsmuster die Aktivierungsmuster ihrer Kinder prägen. Wenn daraus dysfunktionale Muster entstehen, würden diese häufig in psychische Störungen wie Major Depression, Angststörungen und PTBS münden.

Beispielsweise findet man Miller zufolge bei Betroffenen, die unter negativen Gedankenschleifen leiden, oder unter Misstrauen und Sorgen darüber, wie andere sie wahrnehmen, eine Überaktivierung des dorsolateralen PFC. Die ebenfalls häufig zu beobachtende eingeschränkte kognitive Flexibilität gehe mit einem niedrigen Aktivierungsniveau im ventromedialen PFC einher, mangelndes Interesse und Freudlosigkeit mit einer niedrigen Basalganglienaktivität, schwaches Selbstvertrauen und erhöhte emotionale Reaktivität mit einer exzessiven Aktivierung der Amygdala.

Je nach Therapieform unterschiedliche Effekte

Dass ein großer Teil der etablierten Therapien den beschriebenen dysfunktionalen Aktivierungsmustern gegensteuern können, ist Miller zufolge ebenfalls durch eine Vielzahl von Bildgebungsstudien belegt. So fanden US-amerikanische Forschende in einer kürzlich publizierten Studie heraus, dass die Remission einer Major Depression sowohl unter kognitiver Verhaltenstherapie (kVT) als auch unter Antidepressiva mit je nach Therapiemodus unterschiedlichen Veränderungen der funktionellen Konnektivität im Ruhemodus einherging. Antidepressiva hatten dabei überwiegend inhibitorische Effekte. Unter kVT dagegen waren Remissionen mit einer erhöhten Ruhemodus-Konnektivität zwischen jenen Netzwerken assoziiert, die an kognitiver Kontrolle und Aufmerksamkeit beteiligt sind, was die etablierten Theorien zu den Wirkmechanismen der kVT zu bestätigen scheint [Dunlop BW et al. Am J Psychiatry. 2023;180:218-29].

"Verschiedene Psychotherapieverfahren wirken sich nachweislich in unterschiedlicher Weise positiv auf zerebrale Netzwerke aus," ergänzte Miller. Das scheint für eine störungspezifische und individuell angepasste Therapiestrategie zu sprechen.

American Psychiatric Association (APA) Annual Meeting, San Francisco, USA, 20.-24.5.2023. Session: " Biologizing the Psychobabble: The Emerging Neuroscience of Psychotherapy "